Gesetzentwurf in Dänemark: Gar nicht hygge

Die dänischen Sozialdemokraten wollen eine Höchstgrenze für An­woh­ne­r*in­nen „nicht westlicher“ Herkunft. Was bedeutet das für die kriselnde SPD?

Protestierende Frauen mit Kindern

Proteste gegen Zwangsumsiedlung in Mjoelnerparken in Kopenhagen 2019 Foto: Tariq Mikkel Khan/Scanpix/imago

Das dänische Innenministerium hat einen Plan vorgelegt. Und der hat es in sich: Zukünftig soll es in Dänemark eine Höchstgrenze für An­woh­ne­r*in­nen „nicht westlicher“ Herkunft geben. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass in allen Stadtteilen maximal 30 Prozent der Be­woh­ne­r*in­nen die vermeintlich falsche Herkunft aufweisen dürfen.

Es geht dabei um rund 5 Prozent der 5,8 Millionen Be­woh­ne­r*in­nen Dänemarks, die als „nicht westlicher“ Herkunft identifiziert werden. Vorgelegt wurde der Plan von Innenminister Kaare Dybvad Bek. Er ist, wie Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, Mitglied der sozialdemokratischen Partei.

Dabei stellen sich viele Fragen: Was bedeutet „nicht westlich“? Sind türkischstämmige Menschen davon ausgenommen, weil die Türkei Mitglied der Nato ist? Und das Kosovo, weil dort mit Euro bezahlt wird? Oder schlägt „der Islam“ jedes andere Kriterium? Wird es einen dänischen Ariernachweis geben? Könnte dieser vielleicht in digitaler Form auf dem Handy abgespeichert werden? Und werden sich die EU-Staatschefs hierbei auf eine europaweite Anerkennung einigen können?

Polemik beiseite stellt sich noch eine andere Frage: Was bedeutet dieser dänische Plan für andere sozialdemokratische Parteien in Europa, zum Beispiel für die SPD?

„Normale Bürger“ umwerben

In den Neunzigerjahren legte der damalige Hamburger SPD-Bürgermeister Henning Voscherau einen ähnlichen Entwurf vor. Damals hieß es in Hamburg, dass es „Steuerungsinstrumente für die Binnenwanderung von Ausländern“ brauche. Es folgte harte Kritik und das Gesetz wurde nie verabschiedet. Trotzdem werden in der SPD immer wieder Stimmen laut, die man so gar nicht mehr von Parteien wie der CSU oder der AfD unterscheiden kann.

Heute, und das ist etwas bedrückend, steuert die SPD in innerparteilichen, identitätspolitischen Streitigkeiten auf die dänischen Par­tei­freun­d*in­nen eher zu, die sowieso zur europäischen Parteienfamilie der Sozialdemokratie gehören. Einige Po­li­ti­ke­r*in­nen und Kom­men­ta­to­r*in­nen verstecken sich hierzulande gerne mal hinter dem Begriff „Dänischer Weg“, wenn sie über Migration oder Flucht sprechen. Schließlich gelten die Skan­di­na­vie­r*in­nen als hygge.

Dabei ist Kern des dänischen Modells, die Gesellschaft in Weiße und Nichtweiße aufzuteilen: „Echte“ Dä­n*in­nen werden umsorgt, alle anderen mit Härte ausgeschlossen. In dem Eifer, „die normalen Bürger“ zu repräsentieren und das Label als Volkspartei zurückzugewinnen, diskutierte die SPD in den vergangenen Wochen, in welche Richtung sie gehen will: Mehr Progressivität oder doch den dänischen Pfad?

Schließlich sitzen genug Po­li­ti­ke­r*in­nen in Landesparlamenten und im Bundestag, die zumindest darüber nachdenken, diesen dänischen Weg einzuschlagen. Auch wegen purer Machtkalkulationen ist es also nicht klar, ob es heutzutage nicht doch einen parteiübergreifenden Kompromiss geben würde, um „nicht westliche“ Menschen auszuschließen. Die SPD wackelt in dieser Hinsicht, bezieht zumindest keine eindeutige Stellung.

Die dänische Sozialdemokratie ist für die Umsetzung einer der restriktivsten Agenden in Sachen Migrations- und Fluchtpolitik europaweit bekannt. Und die SPD? Sie trägt die Politik von Innenminister Horst Seehofer mit. Die Balance besteht darin, den roten Schein zu wahren.

Es fehlt an Wohnraum

Sprachsensibel, wie die Sozialdemokratie nun manchmal sein kann, wird im neuen Plan aus Kopenhagen strikt darauf geachtet, dass das Wort Ghetto nicht vorkommt. „Der Begriff Ghetto ist irreführend“, sagt Kaare Dybvad Bek. Der Minister spricht von „religiösen und kulturellen Parallelgesellschaften“. Es gebe viel Arbeit, die in den betroffenen Stadtteilen geleistet werden müsse. Nur: Was meint der Sozialdemokrat mit „Arbeit“ konkret?

Natürlich kann man das Problem verarmter Stadtteile mit hohem migrantischen Anteil anders anfassen. Zum Beispiel mit Wohnpolitik, die dazu führt, dass Menschen auch in anderen Vierteln bezahlbaren Wohnraum finden. Mit guter Bildungspolitik oder Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, mit besserer Bezahlung für prekär beschäftigte (und teils systemrelevante) Arbeitnehmer*innen. Aber solche Ansätze scheinen nicht mehr Kern sozialdemokratischer Politik zu sein.

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