Schulen und die dritte Coronawelle: Wer zieht die Notbremse?

In NRW bleiben die Schulen gegen ihren Willen offen. In Berlin geht der Senat auf Nummer sicher. Thüringen verzichtet auf eine Notbremse.

SchülerInnen hocken auf dem Boden einer Turnhalle und warten auf ihre Testung

Freiwillige Corona­schnelltests am Ehrenfried-Walther-von-Tschirnhaus-Gymnasium in Sachsen Foto: Sebastian Kahnert/dpa

BERLIN taz | Zwischen Berlin und Düsseldorf liegen 478 Kilometer Luftlinie – und Welten, was den Umgang mit der dritten Coronawelle angeht. Der Berliner Senat hat am Dienstagnachmittag entschieden, aufgrund der sprunghaft angestiegenen Infektionszahlen „weitere Lockerungen des öffentlichen Lebens auszusetzen“. Konkret heißt das vor allem: Ein Teil der geplanten Schul­öffnungen wird bis nach den Osterferien ausgesetzt.

„Ich weiß, dass gerade diese Jahrgänge es derzeit besonders schwer haben“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) mit Blick auf die betroffenen Jahrgangsstufen 7 bis 9. Sicherheit gehe aber vor. Es ist das zweite Mal, dass Berlin die Schul­öffnung aus Vorsicht beziehungsweise nach Protesten aus den Schulen verschiebt.

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Ganz anders hält das die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW. Anträge mehrerer Städte, den Präsenzunterricht in Schulen aufgrund der explodierenden Coronazahlen bis zu den Osterferien auszusetzen, hat Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) allesamt abgelehnt.

Für Dortmund begründete er das am Dienstag damit, dass die 7-Tage-Inzidenz in der Ruhrgebietsstadt „nur“ bei 72 liege und insofern die Schließungen nicht zu rechtfertigen seien. Erst bei einer Inzidenz von über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen binnen einer Woche werde eine Verschärfung der Maßnahmen geprüft.

„Vollkommen unverständlich“

Doch das scheint geflunkert. Denn auch die Stadt Duisburg darf ihre Schulen nicht schließen – obwohl hier die Inzidenz aktuell bei 122 liegt. Es sei ihm „vollkommen unverständlich“, dass das Land der Rückkehr zum Distanzunterricht einen Riegel vorschiebe, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD). Vergangene Woche wollte bereits der Landkreis Düren bei einer Inzidenz von über 120 die Schulen dichtmachen – auch in diesem Fall kam ein Veto aus Düsseldorf.

Nach welchen Regeln derzeit Schulen in der Republik öffnen oder schließen, ist kaum mehr zu überblicken. Nicht nur, weil jedes Bundesland einen eigenen Öffnungsplan verfolgt, sondern auch, weil es keine einheitlichen Schließungspläne gibt. So haben manche Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen Regelungen getroffen, um Schulen auch bei hohen Inzidenzwerten offen zu halten.

Das rot-rot-grüne Thüringen beispielsweise hat die Schulnotbremse sogar ganz abgeschafft. Seit dieser Woche darf dort selbst bei Inzidenzen über 200 Präsenzunterricht stattfinden. In anderen Ländern lassen die Coronaschutzverordnungen in bestimmten Fällen Ausnahmen zu.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verteidigte am Mittwoch den flexiblen Umgang mit Schulschließungen: „Wenn ich in der Lage bin, mein Maßnahmenbündel nochmal nachzuschärfen und damit die Situation an den Schulen sicher zu halten, kann man das, glaube ich, vor Ort vertreten“, so Karliczek.

Dortmunds OB: „Kinder sind das größte Ansteckungsrisiko“

Geht es nach den Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen, sollen noch im März wieder alle Schü­le­r:in­nen an die Schulen kommen. Damit das gelingt, sollten sie regelmäßige Schnelltests machen. Auf mindestens einen Test pro Woche hatten sich Bund und Länder bei dem letzten Öffnungsgipfel geeinigt. Doch längst nicht überall stehen schon ausreichend Tests bereit.

Beispiel NRW: Seit Montag sind dort die Schulen wieder für alle Jahrgangsstufen geöffnet – von den Schnelltests war jedoch nichts zu sehen. Am Montagmittag kündigte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in einer Mail an die Schulen an, die Tests würden am Dienstag verschickt. Bis zum Start der Osterferien am 29. März werde aber nur ein Test pro Schü­le­r:in zur Verfügung stehen.

Nach Angaben des Schulministeriums hat das Land bisher 1,8 Millionen Tests beschafft – bei fast 2,5 Millionen Schüler:innen. Manche Kommunen wie Bergisch Gladbach haben auf eigene Faust Tests für ihre Schulen besorgt.

Eine größere Sorge als die fehlenden Tests stellt für viele Schulen jedoch die rasante Verbreitung der Virusmutation B 1.1.7 dar, die die Infektionszahlen auch bei Kindern zuletzt hat stark ansteigen lassen. „Wir sehen jetzt: Kinder sind das größte Ansteckungsrisiko“, begründete Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) am Mittwoch seine bislang vergebliche Bitte, die Schulen schließen zu dürfen. Dass für nur wenige Tage vor den Osterferien alle Schü­le­r:in­nen in die Klassenräume zurückkehrten, sei „gemessen am Risiko nicht vertretbar“.

Deshalb hält Dortmund weiter an dem Plan fest, die Schulen zu schließen. „Wir werden noch mal einen entsprechenden Antrag stellen“, kündigte Westphal am Mittwoch an. „Spätestens Montag müssen die Schulen zubleiben.“ Schulministerin Gebauer will sich am Donnerstag zum „laufenden Schulbetrieb“ äußern.

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