Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wo querdenkende Rechte von der Revolution träumen

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Zeigt Globalisten die rote Karte“ steht auf dem weißen Transparent mit schwarzer Schrift, daneben eine Hand mit roter Karte. Die Aufforderung könnte so auch bei linken Demonstrationen getragen werden. Erst das Logo auf dem Transparent offenbart den rechtsextremen Kontext: Der griechische Buchstabe Lambda, das Logo der „Identitären Bewegung“ (IB), prangt rechts unten auf dem Banner.

In Kiel nutzt die IB erneut die Proteste von „Kiel steht auf“, um sich deren Demos gegen die Pandemiemaßnahmen anzuschließen. Nach der Veranstaltung brachten sie das Transparent an und verteilten Flugblätter im Schräfenteichviertel. Durch die Aktion wollen sie vor einem „globalistischen Interessensnetzwerk“ warnen, das „unsere Freiheiten einzuschränken“ und „unsere Volk auszutauschen“ versuche. In dem Flugblatt, das die IB als „denkende Anwohner aus Damperhofstraße, Jungfernstieg und Sternstraße“ unterzeichnete, wird zudem aufgefordert, „rote Handtücher“ oder „irgendetwas anderes“ in die Fenster zu hängen.

Mit der Aktion wollte die IB zum einen Verschwörungsnarrative transportieren wie etwa, dass Bill Gates uns alle impfen, ver­chipen oder gleich auslöschen wolle, zugleich bezieht sich der Aufruf aber auch auf eine Aktion ihrer Gegner*innen. In Kiel hatten An­woh­ne­r*in­nen sich mit roten Karten in den Fenstern von den Veranstaltungen der Querdenken- und Cornaleugnungs-Szene distanziert. Die IB deutet diese Aktion schlicht um.

Das Engagement der Rechten, in diesem Umfeld zu agitieren, überrascht nicht. Im September vergangenen Jahres hatte Martin Sellner, führender Kader der IB in Österreich und Wien, ausdrücklich dazu aufgerufen, sich bei der „neuen Freiheitsbewegung“ einzubringen. „In der Rechten gibt es eine gewisse Reserviertheit gegenüber der neuen Freiheitsbewegung“, schrieb Sellner in Compact – Magazin für Souveränität. „So wird eine revolutionäre Chance verpasst.“

Die Menschen fühlten sich als „Wahl- und Zahlschwein missbraucht“. Eine „kritische Masse“ hätte sich „jedoch im Verborgenen“ entwickelt und so weiter. Das „Corona-Thema“ sei jedenfalls der Funke gewesen, der sie „auf die Straße“ gebracht habe, führt Sellner aus. „Die Eliten“ fürchteten diese Bewegung als „Träger des Widerstandes“, weil sie wüssten, dass sich „die Ziele dieser amorphen Opposition rasch verändern“ könnten. Sie fürchteten „die patriotische Notwehr des Volkes“. Die Compact um ihren Chefredakteur Jürgen Elsässer ist mittlerweile das Magazin der vermeintlich Querdenkenden geworden. Im Heft, aber auch in Sonder-Editionen, werden die Ak­teu­­r*in­nen präsentiert. Sie publizieren eigene Texte, aber auch ihre Reden werden veröffentlicht.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die Hoffnung auf eine Volksrevolution bewegte auch Rechte aus Hamburg, sich bei den Pandemieprotesten einzureihen. Am vergangenen Samstag etwa kamen zur Demonstration von „Querdenken 40“ Teilnehmende aus der IB, AfD und NPD. Dem „Hamburger Bündnis gegen rechts“ war auch einer der Organisatoren der „Merkel muss weg“-Versammlungen aufgefallen: Thomas Gardlo. Bei Facebook postete er zu dem Aufruf: „Bewaffnet Euch“, kurz und knapp: „Bin in Hamburg dabei und viele meiner Kameraden.“