Vertreibung in Hamburg: Blumen statt Obdachlose

Vor der Haspa-Filliale im Stadtteil Ottensen stehen nun Blumenkübel, damit Obdachlose sich dort nicht mehr aufhalten können. Es ist eine perfide Methode.

Ein Obdachloser sitzt vor einer Ladenzeile

In Hamburg nicht gern gesehen: Obdachlose vor Geschäften Foto: Jonas Güttler/dpa

Seitdem am Jungfernstieg biedere, hellhölzige – und nebenbei: ziemlich teure – Blumenkübel stehen, sind diese Dekorationselemente zu einem erstaunlich großen Diskussionsthema unter Hobby-Stadtgestalter:innen in ganz Hamburg geworden. Seit Donnerstag haben die City-Kübel in Sachen Streitpotenzial allerdings beachtliche Konkurrenz aus Ottensen enthalten.

Das ist kaum verwunderlich: Denn die dortigen Kübel unterbieten die Holzbehälter vom Jungfernstieg nicht nur ästhetisch um Meilen – sondern übertreffen sie vor allem in der Perfidität ihres Zwecks. Denn Blumen­kübel sind ja nie nur Kübel für Blumen. Am Jungfernstieg dienen sie als Fahrbahntrenner. In Ottensen ist ihre undankbare Aufgabe: Obdachlose zu verscheuchen.

Vor der Haspa-Filliale am Spritzenplatz campieren seit längerer Zeit Obdachlose. Das werde, so die Haspa, für Vorbeigehende und Geldabhebende, die um ein paar Groschen gefragt würden, nicht als angenehm empfunden.

Und dann der Drogenkonsum! Und kooperativ verhielten sich die bereits getadelten Obdachlosen dann auch nicht! Drum konnte die Haspa dem Drama (also dem der Kundschaft, nicht dem der Wohnungslosen) kaum mehr tatenlos zusehen – und ließ schmucklose sperrige Betonfässer herankarren, hübsch bepflanzt mit grünem Gewächs.

Herzlos sei die Bank darum aber nicht. Im Gegenteil: „Die Haspa setzt sich seit vielen Jahren für das Wohlergehen von Obdachlosen in unserer Stadt ein“, verteidigt sie sich in der Mopo. Auch habe man gar nicht eigenmächtig vertrieben, nee, nee! Ist ja schließlich öffentlicher Grund, da braucht es die Zustimmung des Bezirks Altona. Das Aufstellen der Kübel sei, es klingt so gruselig, „Ergebnis eines Dialogprozesses“ mit dem Bezirksamt.

Dort hat bekanntlich eine Grüne das Sagen: Stefanie von Berg. Es sei ein „schmaler Grat“ gewesen, auf dem sich ihr Amt in diesem Fall befand, sagt sie. Aber es habe halt etwas unternommen werden müssen.

Dann wird es sicher nur wenige Tage dauern, ehe auch auf der anderen Straßenseite vorm Telekom-Laden Kübel aufgestellt werden: Dorthin sind die Betroffenen nämlich weitergezogen. Bis es so weit ist, lässt sich weiterhin wundervoll über grüne Positionen in sozialpolitischen Fragen nachdenken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.