Vertrauen für Italiens Premier

Mario Draghi sichert sich eine komfortable Mehrheit bei Abstimmungen im Parlament. Das könnte die Fünf-Sterne-Bewegung spalten

Aus Rom Michael Braun

Für die Fünf-Sterne-­Bewegung (Movi­men­to­5S­telle, M5S) wird die Unterstützung der neuen italienischen Regierung unter Mario Draghi womöglich zur existenzgefährdenden Zerreißprobe. Bei den Vertrauensabstimmungen in Senat und im Abgeordnetenhaus brachen zahlreiche Par­la­men­ta­rie­r*in­nen aus ihren Reihen die Fraktionsdisziplin und leiteten damit eine Abspaltung ein.

Draghi hatte in den beiden Häusern des Parlaments jeweils überwältigende Mehrheiten erhalten, 262 Ja- bei nur 40 Nein-Stimmen im Senat, während im Abgeordnetenhaus das Stimmenverhältnis 535 zu 56 betrug. Dies verdankte sich der Tatsache, dass er eine Regierung der nationalen Einheit präsentierte, die von so gut wie allen Parteien von rechts- bis links-außen getragen wird, von der radikal linken Liste Liberi e Ugua­li (LeU, Freie und Gleiche) bis hin zu Matteo Salvinis rechtspopulistischen und ultranationalistischen Lega.

In einem online durchgeführten Entscheid unter den Ak­ti­vis­t*in­nen hatte sich auch das M5S das Plazet der Basis für die Unterstützung Dra­ghis abgeholt: Allerdings zeigte sich schon bei diesem Votum, wie tief gespalten die Bewegung ist. Obwohl der Gründer- und Übervater Beppe Grillo klar für Draghi plädierte, gab es 40 Prozent Nein-Stimmen.

Viele Par­la­men­ta­rie­r*in­nen sahen sich durch diese breite Ablehnungsfront ermutigt, mit Nein zu votieren oder wenigstens den Vertrauensabstimmungen fernzubleiben: 21 der 92 Senator*innen, 30 der 189 Abgeordneten scherten aus. Ein Abgeordneter erklärte, er könne „nicht für alles das stimmen, wogegen wir immer gekämpft haben“.

Schließlich sind die Fünf Sterne als Bewegung gegen das Establishment, die Eliten und die in ihren Augen korrupte Politik der traditionellen Parteien entstanden. Die Ab­weich­le­r*in­nen reklamieren für sich, der ursprünglichen Linie der Bewegung treu geblieben zu sein, sie werfen dem Ex-EZB-Chef und früheren GoldmanSachs-Manager Draghi vor, er verkörpere die neoliberalen Eliten und habe in den 90er Jahren die Welle der Privatisierungen öffentlicher Unternehmen verantwortlich geleitet. Und sie stoßen sich daran, dass sie an der Seite des vorbestraften Silvio Berlusconi regieren sollen.

Die 15 Senator*innen, die gegen Draghi stimmten, wurden sofort aus der Bewegung ausgeschlossen. Sie erwägen jetzt die Gründung einer neuen Fraktion. Mit Alessandro Di Battista ist ihnen einer der prominentesten Vertreter des M5S zur Seite gesprungen. Di Battista sitzt in dieser Legislaturperiode nicht im Parlament, ist aber an der Basis der Bewegung äußerst beliebt. Vor einigen Tagen war er wegen des Pro-Draghi-Kurses aus dem M5S ausgetreten, weil er nicht den „Apostel der Eliten“ unterstützen könne. Jetzt kündigte er für Samstag eine Erklärung an, in der es um die Schaffung einer „robusten Opposition“ gehen soll.

Damit scheint die Spaltung zwischen Fundis und Realos nicht mehr aufzuhalten. Für die Regierung hat das keine Konsequenzen, wohl aber für das M5S. Bei den Wahlen 2018 hatten sie fast 33 Prozent geholt, in neuesten Umfragen liegen sie bei 15 Prozent. Ein weiterer Niedergang scheint programmiert.