Autoindustrie und Corona: Alles außer Transformation

Auch Baden-Württembergs Autobauer und ihre Zulieferer trifft die Krise hart. Viele sind auf den Umbau zur E-Mobilität noch gar nicht vorbereitet.

Protest mit Fackel und IG-Metall Flagge vor dem Bosch Gebäude

Warnstreik der Bosch-Mitarbeiter in Stuttgart-Feuerbach Anfang März Foto: Christoph Schmidt/dpa

Die Nachrichten aus den Unternehmen der baden-württembergischen Autobranche klingen nicht gut – für die Autobranche. Der Zulieferer Ebers­pächer schließt sein Werk für Fahrzeugheizungen in Esslingen Ende 2021. Filterhersteller Mann & Hummel will Teile der Produktion im Werk in Ludwigsburg schließen. Mahle hat vor, 1.700 Stellen im Ländle abzubauen. Das Unternehmen produziert Kolben, Pumpen und Filter – für Verbrennermotoren. Doch die werden im beginnenden Elektromobilitätszeit­alter immer weniger gebraucht.

Jeder vierte Arbeitsplatz in der deutschen Autoindustrie befindet sich in Baden-Württemberg, viele Beschäftigte verdienen mehr als die Kol­le­g:in­nen in anderen Regionen. Hier sitzen Daimler und Porsche, auch Audi hat einen großen Entwicklungs- und Produktionsstandort. Hinzu kommen große Zulieferer wie Bosch, Continental, ZF, Mahle und Hunderte kleiner und mittlere Unternehmen mit Zehntausenden Arbeitsplätzen. Ihre Aussichten sind nicht gut. „Viele Unternehmen der Automobil- und Zuliefererindustrie im Land standen angesichts der tiefgreifenden Transformation und des konjunkturellen Abschwungs bereits vor der Coronakrise vor einer existenzbedrohenden finanziellen Belastung“, sagt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

Während der Pandemie haben nur wenige ein Auto gekauft. Probleme macht der Branche der Umbau von fossilen, klimaschädlichen Antrieben hin zur Elektromobilität. „Viele Unternehmen haben sich vor der Coronakrise nicht ausreichend auf die Transformation vorbereitet“, sagt Raphael Menez, Leiter des Transformationsteams der IG Metall in Baden-Württemberg. „Wir machen uns große Sorgen um die Industriearbeit.“ Arbeitsplätze könnten abgebaut oder wie bei Ebers­pächer nach Polen oder in andere Länder verlagert werden. Für den Bau von E-Autos werden weniger Arbeitskräfte gebraucht, weil sie aus weniger Teilen bestehen. Branchenexperten fürchten, dass ein Drittel der Jobs wegfallen könnte.

Manche Zulieferer wie Mahle setzen darauf, gerade für die Hersteller von Verbrenner­autos zu produzieren. Die Überlegung: Ist das Unternehmen der letzte Hersteller, der etwa Kolben oder Pumpen für Verbrennermotoren herstellt, hat es eine große Marktmacht. Aber: Kommt der Wandel zur E-Mobilität weitaus schneller als gedacht, geht das nicht auf. Und danach sieht es aus. „Corona gibt der Transformation einen Schub“, sagt Menez. Die Pandemie setzt die Unternehmen ähnlich unter Druck wie einst die Finanzkrise. Aber anders als vom grünen (!) Ministerpräsidenten gewünscht, gibt es diesmal keine Kaufprämien für Benziner mehr. Gefördert werden nur noch E-Autos.

Vertrag für 50 Standorte

Ein positives Beispiel ist in den Augen der IG Metall das Unternehmen ZF. Das Unternehmen produziert nicht nur Bestandteile für konventionelle Autos, sondern auch Gangschaltungen für E-Autos und Sicherheitstechnik wie Airbags. Auch hier steht weltweit Personalabbau an. Aber das Unternehmen hat mit der Gewerkschaft in einem Tarifvertrag für 50 Standorte in Deutschland eine Jobsicherung vereinbart. „Uns ist wichtig, dass die Beschäftigten im anstehenden Wandel Sicherheit haben“, sagt Menez. Innerhalb der zwei Jahre sollen an jedem Standort Betriebsräte und Management gemeinsam die Auswirkungen von Pandemie und Transformation sowie Stärken und Schwächen analysieren. „Sie sollen Antworten auf die Frage finden: Was müssen wir tun, damit wir im Jahr 2025 noch da sind?“, erklärt Menez. Das kann etwa bedeuten, neue Produkte an den Standort zu holen oder die Beschäftigten gezielt weiterzubilden.

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Ginge es nach der IG Metall, würde das Beispiel ZF zum Modell. Doch die Arbeitgeber wollen das nicht. Sie sehen darin eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte. „Dass Sozialpartner das Recht bekommen, auf Betriebe zuzugehen und zu sagen: ‚Eure Strategie gefällt uns nicht‘, lehnen wir ab“, sagt Volker Steinmaier, Sprecher des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. „Es gibt bereits zahlreiche tarifliche Regelungen, die Gestaltungsspielraum bieten.“ Dabei geht es den Arbeitgebern nicht um Strategiediskussionen, sondern um die Kürzung von Sonderzahlungen oder Zuschlägen. „Kostensenkung ist das A und O“, sagt Steinmaier.

Dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Grüner ist, schadet der Autobranche im Ländle keineswegs. Er ist ein bekennender Autofreund. Doch das nützt offenbar auch nicht viel. Baden-Württemberg sei extrem gut ausgestattet mit Kompetenznetzwerken, Lotsenprogrammen, Innovationsclustern oder Anlaufstellen für E-Mobilität, sagt Gewerkschafter Menez. Aber: „Die Hebelwirkung der Politik ist begrenzt.“

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