corona in hamburg
: „Existenzen werden vernichtet“

Foto: privat

65, gründete vor 25 Jahren Marktkultur Hamburg und organisiert Antik- und Flohmärkte in Hamburg.

Interview Nele Aulbert

taz: Herr Resag, sterben Flohmärkte aus?

Roland Resag: Nein. Auch wenn man momentan tonnenweise Ware dort sieht, wo sie meiner Meinung nach nicht hingehört. Die Container und Wertstoffhöfe quellen über. Flohmärkte sind ein Ort des Recycelns und des sinnvollen Umgangs mit Ressourcen.

Dafür gibt es ja auch Online-Plattformen. Glauben Sie, die Leute kommen irgendwann wieder auf den Flohmarkt?

Ja, auf jeden Fall. Flohmärkte sind Orte der Begegnung, der Kommunikation und des Austausches. Auf der Flohschanze zum Beispiel ist in den letzten 20 Jahren eine richtige kleine Familie entstanden. Wir haben ganze Generationen an Studenten ausgestattet. Man kann die Lebensqualität von einem guten Gespräch mit der Person hinter den Verkaufsobjekten nicht digital ersetzen. Das hat auch mit Gewohnheiten zu tun.

Manche ihrer Aus­stel­le­r*in­nen kommen seit 20 Jahren. Was bedeutet die Pandemie für das Geschäft?

Es ist dramatisch. Unser Unternehmen hat bisher weder etwas von den Novemberhilfen noch von den Januarhilfen gesehen. Theoretisch hätten wir aber einen Anspruch, wir haben also noch Hoffnungen, die Hilfen zu bekommen.

Und was ist mit den Aussteller*innen, die sich auf dem Flohmarkt was dazuverdienen?

Manche meiner Klienten gehen jetzt zur Tafel. Ich finde es grob verantwortungslos, wie die Politik mit den kleinen Verbrauchern umgeht. Die Händler haben alle ihre Ersparnisse aufgebraucht. Sie haben meist keine Ansprüche auf Hilfen vom Staat oder sie bekommen keinerlei Unterstützung auf dem bürokratischen Weg. Da kann sich niemand einen Rechtsanwalt leisten. Es werden schlichtweg Existenzen zerstört.

Nun wurde der Lockdown verlängert, aber Lockerungen sind in Sicht. Wie gut sind Sie vorbereitet?

Wir könnten morgen loslegen. Wir haben ein Sozialkonzept und ein Hygienekonzept. Die Aussteller warten nur auf das Startsignal. Und bei uns kommen auch weiterhin Voranmeldungen an. Unser Büro wird nach wie vor gut besucht. Nur unseren Klowagen mussten wir aufgeben. Die monatliche Miete von 400 Euro konnten wir nicht mehr stemmen. Wir haben einen gekauft, für 6.500 Euro! Das Geld hätte ich jetzt natürlich gerne, weil ich nicht weiß, wie ich meine Löhne und Gehälter im März zahlen soll. Man hat uns gesagt, wir können im Januar loslegen. Jetzt haben wir März, und während der Isemarkt wöchentlich zweimal stattfindet, ist der Hamburger Fischmarkt seit über einem Jahr geschlossen. Da hängen Hunderte von Existenzen dran. Das verstehe ich einfach nicht.