heute in hamburg
: „Himmel­schreiende Ungerechtigkeit“

Online-Diskussion „Equal Pay Day 2021 – Jetzt wird alles gut?“: unter anderem mit Doris Pearce-Niederwieser und der Finanzberaterin Henrike von Platen, Zoom-Link per Mail an mail@palais-fluxx.de

Interview Johanna Sethe

taz: Frau Pearce-Niederwieser, werden Frauen wirklich schlechter bezahlt oder haben sie einfach die falschen Jobs?

Doris Pearce-Niederwieser: Es ist zweierlei: Frauen werden nach wie vor schlechter bezahlt, das ist eine statistische Realität. Dazu kommt, dass Frauen zwar nicht im falschen Beruf sind, aber dass diverse Berufsbilder einfach weniger wertgeschätzt sind.

Warum ist es so schwierig, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen?

Ich kann das weder aus wirtschaftlicher noch aus gesellschaftlicher Perspektive nachvollziehen und finde es einfach eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Was mich vor allem frustriert, ist, dass der Frauentag mittlerweile in den Medien groß zelebriert wird. Sogar die großen Unternehmen beteiligen sich. Gleichstellung und auch die gleiche Bezahlung werden dabei immer wieder betont. Jedes Jahr feiern wir diesen Tag – und jedes Jahr sind es dann trotzdem wieder die gleichen Zahlen von ungerechter Bezahlung, von Frauen in Führungspositionen, von Gewalt gegen Frauen.

Gibt es nicht wenigstens bei der Bezahlung eine positive Tendenz?

Es verbessern sich mit Sicherheit Sachen, aber die Verbesserung ist wirklich arg langsam. Es ist schon ein Armutszeugnis, dass wir im 21. Jahrhundert überhaupt noch so viel über einen Gender Pay Gap diskutieren müssen.

Was ist mit dem Lohntransparenzgesetz? Hat das nichts gebracht?

Doch mit Sicherheit, aber auch mit Sicherheit nicht genug. Bis dato lag das daran, dass die Klägerin nachweisen musste, dass das Unternehmen unfair bezahlt. Das hat sich mit dem Bundesrichtspruch im Januar geändert, weil die Beweislast jetzt bei den Unternehmen liegt. Das alte Sprichwort gilt aber nach wie vor: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Foto: privat

Doris Pearce-Niederwieser

42, hat Organisationspsychologie studiert und arbeitet seit 20 Jahren in der Personalentwicklung. Sie lebt in Großbritannien.

Müssen Frauen sich mehr beschweren?

Es geht vielmehr darum, den eigenen Arbeitgeber rechtlich in die Verantwortung zu ziehen. So ein Prozess dauert nicht nur ein oder zwei Tage und wird auch nicht geheim behandelt. Das kann Konsequenzen für das Verhältnis zum derzeitigen oder zukünftigen Arbeitgeber haben. Ich bin mir sicher, dass viele Frauen sich das sehr gründlich überlegen, ob sie sich auf diesen Kampf einlassen.

Was müsste also stattdessen passieren?

Wir haben da ein sehr gutes Beispiel in ­Island, wo Firmen mit mehr als 25 Mitarbeitern beweisen müssen, dass sie Frauen und Männer gleich entlohnen. Der Lohn ist da relativ einfach und emotionslos an den Job gekoppelt und nicht an das Geschlecht. Zu dieser klaren Gesetzgebung gibt es dann eben auch scharfe Sanktionen. Island ist da wirklich ein Vorbild.