Ermordung des Lehrers Samuel Paty: Lüge mit dramatischen Folgen

Die Ausrede einer Schülerin hat in Frankreich offenbar die Hass-Eskalation gegen Samuel Paty ausgelöst. Ihr Vater hatte ein Hetzvideo veröffentlicht.

Parlamentsmitglieder laufen während einer Trauerfeier an einem Foto des ermordeten Lehrers Samuel Paty vorbei

Parlamentsmitglieder gedenken des ermordeten Lehrers Samuel Paty am 20. Oktober 2020 in Paris Foto: Gonzalo Fuentes/reuters

PARIS taz | Hat eine faule Ausrede einer 13-Jährigen eine Hass-Eskalation in den sozialen Netzwerken ausgelöst, die am 16. Oktober zur Ermordung des Lehrers Samuel Paty führte? Das legt ein Bericht der französischen Zeitung Le Parisien nahe, der sich auf Aussagen der Schülerin stützt.

Die Mittelschülerin Z. hat demnach bei der Befragung durch den Untersuchungsrichter gestanden, dass sie gelogen habe, als sie wenige Tage vor dem mörderischen Attentat ihrem Vater eine Ausrede für ihren zweitägigen disziplinarischen Ausschluss aus dem Unterricht aufgetischt hatte.

Sie hatte nämlich zu Hause erzählt, der Lehrer habe in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit in ihrer Klasse die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo gezeigt und dabei die muslimischen Schülerinnen und Schüler aufgefordert, das Klassenzimmer zu verlassen. Sie sei daraufhin wegen ihrer Proteste von ihm für zwei Tage vom Unterricht ausgeschlossen worden.

Jetzt räumte sie ein, dass die disziplinarische Maßnahme mit den Mohammed-Karikaturen gar nichts zu tun hatte: Die Jugendliche Z. saß an diesem Tag gar nicht im Unterricht, wie sie zugegeben hat. Man habe ihr nur erzählt, dass Paty diese Karikaturen gezeigt hatte.

Gehässiges Video ging viral

Doch ihrem Vater hatte sie geschworen, dass ihre Version von der Diskriminierung der Muslime in der Klasse die Wahrheit sei. Dieser zögerte nicht, mit seiner Tochter bei der Polizei auch noch eine Strafklage gegen Paty wegen „pornografischer Darstellung des Propheten“ einzureichen.

Vor allem aber publizierte er im Internet ein Video, das schnell die Runde machte. In dieser gehässigen Polemik wurde der Lehrer mit vollem Namen angeprangert und auch seine Schule in Conflans, im Nordwesten von Paris, genannt. Zehn Tage später enthauptete ein junger Islamist den Lehrer auf dessen Heimweg.

Gegen die Schülerin Z. ermittelt die Justiz nun wegen böswilliger Verleumdung. In der richterlichen Befragung habe sie ihre Lüge bereut, heißt es: „Niemals hätte das eine solche Dimension annehmen können, wenn ich das meinem Vater nicht gesagt hätte.“ Sie habe geweint, als sie vom mörderischen Anschlag auf ihren Lehrer erfuhr.

Ihr Anwalt, Mbeko Tabula, möchte ihre Verantwortung für die Ereignisse relativieren: „Nie und nimmer hätte sie sich vorstellen können, dass das in dieser Weise ausarten könnte. Es ist unglaublich und sogar niederträchtig, heute die Verantwortung für diese Tragödie auf die schmalen Schultern eines 13-jährigen Kindes laden zu wollen.“ Virginie Le Roy, die Anwältin der Angehörigen Patys, erklärte, der Vater müsse von der Lüge gewusst haben. Jetzt zu sagen, er habe seiner Tochter geglaubt, „das ist sehr schwach“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.