Streit um Performance von Ersan Mondtag: Doch noch versöhnt?

Nach einem Treffen mit Monika Grütters haben die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und der Regisseur Ersan Mondtag ihren Disput beigelegt.

Eine Frau im blauen Kostüm und mit Brille steht im hellen, lichten Treppenhaus des Deutschlandhauses

Die Direktorin der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ im frisch renovierten Deutschlandhaus Foto: Rolf Zoellner/imago

„Die Stiftungsratsvorsitzende der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Stiftungsdirektorin, Gundula Bavendamm und der Regisseur Ersan Mondtag haben sich am 10. Februar 2021 getroffen, um die Differenzen um das leider gescheiterte gemeinsame Projekt ‚Heimweh, ich weiß nur nicht wonach‘ zu besprechen.

Sie erklären darauf einvernehmlich, dass gerade in der aktuellen Pandemiesituation die Folgen des von beiden Seiten zu vertretenden Abbruchs nicht zu Lasten der am Projekt beteiligten Künstlerinnen und Künstler gehen dürfen. Die juristischen und finanziellen Auseinandersetzungen konnten in dem Treffen beigelegt werden. Die Projektbeteiligten erklärten zudem, dass sie sich von jedweder ehrverletzenden Darstellung einzelner Personen in diesem Zusammenhang distanzieren.“

Das war die kurze, aber entscheidende Meldung, die Mittwochabend um 21 Uhr in der Mail war. Gerade noch mal gut gutgegangen, so scheint es. Denn in den Wochen zuvor hatten die Kulturstaatsministerin und die Stiftungsdirektorin nur hinhaltend auf Mondtags Forderung reagiert, Produktionskosten in Höhe von 50.000 Euro erstattet zu bekommen, nachdem es zwischen dem Künstler und der Stiftung zum Bruch über das geplante Projekt gekommen war.

Ersan Mondtag ist ein national wie international renommierter Theater- und inzwischen auch Opernregisseur mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Nicht konfliktscheu, redet er gerne politisch Klartext. Die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ will sichtbares Zeichen gegen das Unrecht von Vertreibung und Zwangsmigration sein, wobei der Schwerpunkt und Anlass der Gründung die Darstellung von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ost- und Mitteleuropa ist.

Geschichtsrevisionistische Irrgänge

Politisch leidet die Bundesstiftung seit ihrer Gründung beständig an den geschichtsrevi­sio­nistischen Irrgängen ihres Stiftungsrats, in dem der Bund der Vertriebenen eine maßgebliche Rolle spielt und dort mit Funktionären vertreten war, die sich öffentlich gegen die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter ausgesprochen hatten und Polen für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verantwortlich sahen.

Nach dem Rückzug seriöser Wissenschaftler aus dem Stiftungsrat und einer entsprechend schlechten Presse hätte Gundula Bavendamm zur Eröffnung des Dokumentationszentrums im neu renovierten Deutschlandhaus in Berlin Boden gutmachen können. Was sie wohl auch durch die Zusammenarbeit mit dem Theatermann erreichen wollte. Ersan Mondtag, dessen Eltern als türkische Arbeitsmigranten nach Deutschland kamen, stand für ein deutliches Signal der Offenheit und für die Lust an kritischer Intelligenz.

Doch diese Lust stand auf wackligem Fundament. Als sich herausstellte, dass sich Mondtag das Bekenntnis „zur gesellschaftlichen wie historischen Aufarbeitung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung“ im Vertrag zur Stiftungsinitiative wirklich zu eigen machen und deshalb in Zusammenarbeit mit der Autorin Olga Bach sowie beraten durch den deutsch-polnischen Historiker Piotr Franz die Verbindung der völkischen Rechten zu Flucht und Vertreibung zu thematisieren gedachte, ging Bavendamm nicht mit. Ihre Begründung: Man wolle Rechtsextremisten wie Björn Höcke keine Bühne bieten.

Dass dies im Rahmen eines Imagefilms, als den Gundula Bavendamm Ersan Mondtags Beitrag gegenüber der Süddeutschen Zeitung bezeichnete, nicht erwünscht ist, kann man verstehen. Nur, was immer Ersan Mondtag interessierte, ein Imagefilm war es bestimmt nicht, als er der Stiftung zusagte.

Bestürzende Ahnungslosigkeit des Personals

Für ein solches Vorhaben kann ihn die Stiftung unmöglich angesprochen haben, oder die Ahnungslosigkeit des Personals ist so unglaublich, dass sie allein schon über die Kostenerstattung hinaus Entschädigungszahlungen rechtfertigte.

Was die ehrverletzenden Darstellungen einzelner Personen im Zusammenhang mit den Ereignissen betrifft: Dass Gundula Bavendamm inzwischen wegen der Beschäftigung ihres Vaters an ihrer vorigen Arbeitsstelle in die Kritik gerät, kann damit nicht gemeint sein? Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat Gundula Bavendamm als Leiterin des Alliiertenmuseums Berlin in der Zeit von 2010 bis 2016 Dirk Bavendamm beauftragt, ein Register des Aktenbestands zu erstellen.

Regisseur Ersan Mondtag stand für ein deutliches Signal der Offenheit und für die Lust an kritischer Intelligenz

Nun ist aber belegt, dass der Historiker, der früher einmal als Journalist, etwa für die Zeit und die SZ, gearbeitet hat, inzwischen die Nähe zu rechtsradikalen Kreisen sucht und dort obskure Vorträge hält. Unter anderem mit der These, dass Franklin D. Roosevelt Hauptverantwortlicher für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sei.

Warum ausgerechnet dieser Mann die Akten in einem Museum einsieht, das den Beitrag US-amerikanischer Soldaten zur Befreiung Europas vom Faschismus würdigt, sorgt nun für nicht unbeträchtliche Irritationen.

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