Andreas Speit
Der rechte Rand
: Was aus den Identitären wurde

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Den Kampf um den vorpolitischen Raum hat die Identitäre Bewegung (IB) im Norden noch nicht aufgegeben. In Schleswig-Holstein will die IB vor dem „großen Austausch“ der ureigenen Bevölkerung und der „laufenden Islamisierung“ des christlichen Abendlandes mobilmachen. In Kiel reihte sich die Gruppierung dafür in die Proteste der Querdenkenden- und Coronaleugnungs-Szene ein. Sie selbst berichteten beim Messengerdienst Telegram, zur Aktion von „Kiel steht auf“ gefahren zu sein.

Unter dem Motto „Kiel steht auf – Wir stehen mit“ nahmen am 11. Februar demnach zehn Ak­ti­vis­t*in­nen der rechtsextremen Gruppe an der Demonstration am Exerzierplatz teil. Nun rufen sie auf: „Kommt in den Kanal von Kiel steht auf, ein Bündnis aus verschiedensten weltanschaulichen Strömungen, um gegen die zahlreichen Verfehlungen unserer abgehobenen Regierung und manipulativ berichtender Medien zu demonstrieren!“ Dabei dürfte es der IB nicht allein um die Pandemiemaßnahmen gehen, sondern auch um ein vielversprechendes Umfeld für ihre Propaganda. Im Chat von „Kiel steht auf“ finden sich einschlägige Posts: „Schwul darf man nicht mehr sagen, das heißt jetzt Vagina-intolerant“ heißt es da, oder: „In Geschichte geschlafen, in Deutsch nur gepennt. Als Kind war er feige, als Teenie verklemmt. Dann wurde er Hater, denn dumm kann er toll. Ihr wisst, wen ich meine: den Antifa-Troll.“ Solche Feindbilder kommen der IB entgegen. Auch ein Link zum „Volkslehrer“ dürfte ihnen gefallen: Der rechtsextreme Videoblogger Nikolai Nerling versucht, durch Provokationen Stimmung zu machen.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

In Schleswig-Holstein ist die IB seit 2015 aktiv, wobei ihre Anhänger*innen zum Teil aus den „Freien Kräften Ostholstein“ stammen. Den aktiven Kreis sollen gegenwärtig rund 20 Personen bilden. Ihr Aktionsschwerpunkt ist Kiel. Seit Wochen haben sie in der Landeshauptstadt Sticker und Plakate im Schreventeich-Viertel angebracht. Ein Motiv: Das Bild einer Frau neben der Botschaft: „Zu schön für einen Schleier!“ Frauenrechte interessieren die IB allerdings nur, wenn es um die vermeintliche Islamisierung geht. Soziale Medien sind ein zentrales Betätigungsfeld der Gruppe. Über Instagram war auch Melvin Sch. mit IB-Projekten verbunden. Am 17. Oktober 2020 hatte der in Henstedt-Ulzburg mit einem Pick-up Gegendemonstranten einer AfD-Veranstaltung auf dem Fußweg angefahren. Der zivilgesellschaftliche Druck erwirkte, dass Facebook, Twitter und Instagram IB-Auftritte unterbanden. Der neurechte Verleger Götz Kubitschek räumte ein, dass die IB gescheitert sei: „Es ist dem Staat samt seinen gewalttätigen Helfern aus Antifa-Kreisen gelungen, einen jungen, patriotischen Ansatz zu kriminalisieren und letztlich zu marginalisieren“, so der Förderer der IB. Nun suchen sie nach neuen Wegen.