Vermögensteuer-Politik der Grünen: Irgendwie dafür, aber nicht zu sehr

Die Grünen ringen intern, welche Rolle das Thema Ungleichheit im Wahlkampf spielen soll. SPD und Linke sind da mutiger.

Ein Ferrari fährt auf einer Straße

Wollen etwa auch die Grünen ans Vermögen der Reichen? Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Eigentlich sprechen führende Grüne nicht gerne über die Vermögensungleichheit in Deutschland und die Spaltung in wenige Reiche und viele Arme. Das Instrument dagegen, eine neue Steuerpolitik, ist bei mächtigen Wirtschaftsverbänden verhasst, und die Grünen suchen wegen der ökologischen Wende lieber die Nähe zu UnternehmenschefInnen, statt auf Konfrontation zu setzen.

Doch hinter den Kulissen der Partei wird gerungen. Es geht um die Frage, welche Rolle eine Vermögensteuer oder eine fairere Erbschaftsteuer im Wahlkampf spielen sollen. Grünen-Chef Robert Habeck würde das Thema gerne mit Investitionen in bessere Bildung verknüpfen. Vermögensbezogene Steuern seien Ländersteuern, sagte Habeck auf taz-Nachfrage am Montag. „Bildungsausgaben sind ebenfalls Ländersache.“ Entsprechend gebe es da eine Verbindung.

In der Tat fließen die Einnahmen aus solchen Steuern in die Haushalte der Bundesländer. Habeck argumentierte nicht nur strukturell, sondern auch inhaltlich. „Wir wissen, dass der Bildungsabschluss maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie ökonomisch erfolgreich ein Leben sein kann.“ Entsprechend, sagte der Grünen-Chef, wäre die Besteuerung von sehr hohen Vermögen „ein Beitrag zur gerechten Finanzierung im Bildungsbereich“.

Die Verbindung zwischen solchen Steuern und Bildung wird schon im neuen Grundsatzprogramm hergestellt, das die Grünen im November 2020 verabschiedet haben. Lisa Paus, die Finanzexpertin der Bundestagsfraktion, argumentiert wie Habeck: „Für ein gerechtes und starkes Bildungssystem zu sorgen, ist eine zentrale Aufgabe für unsere Gesellschaft.“ Eine höhere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften könne einen Beitrag leisten, um ein besser ausgestattetes Bildungssystem zu finanzieren.

Trauma Steuerwahlkampf 2013

Ob die Grünen-Spitze das Thema im Wahlkampf hochzieht, ist allerdings eine andere Frage. Bei Ungleichheit schlagen zwei Herzen in der grünen Brust. Kaum ein Grüner würde abstreiten, dass die Spaltung in Arm und Reich in Deutschland skandalös ist. Die oberen zehn Prozent besitzen laut DIW gut zwei Drittel des Nettovermögens. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt fast nichts.

Eine ökologisch orientierte Partei, die Fleisch verteuern will und über Armut oder explodierende Mieten klagt, darf das eigentlich nicht ignorieren. Aber die Grünen haben im Wahlkampf 2013 schmerzhaft erfahren, wie stark die Widerstände gegen linke Steuerpolitik sind. Konservative Zeitungen, der DIHK und der Verband der Familienunternehmer prügelten auf sie ein – und diffamieren selbst maßvolle Vermögensteuern bis heute als Vorboten des Sozialismus.

Auch die Union, die mögliche Koalitionspartnerin nach der Bundestagswahl, ist strikt und aus Prinzip gegen Steuern auf Vermögen. Deshalb dimmten Robert Habeck und seine Co-Chefin Annalena Baerbock das Thema herunter, auch, um sich nicht angreifbar zu machen. Bei den Jamaika-Sondierungen von Grünen mit Union und FDP 2017 war eine gerechtere Steuerpolitik eines der ersten Themen, das in den Papierkorb wanderte.

Habecks Idee, Vermögensteuern mit Bildung zu verknüpfen, ist der Versuch, das Thema positiv zu besetzen. Wenn die Union eine Neiddebatte unterstellt, könnten die Grünen kontern, dass es eher um eine Solidaritätsdebatte geht.

Startgeld für alle

Aber so ganz entschieden ist Habeck wohl selbst noch nicht. Er spricht nicht von selbst über Steuerpolitik, man muss ihn schon in einer Pressekonferenz, bei der es um alle möglichen Themen geht, danach fragen. Die Pressestelle hatte eine entsprechende taz-Anfrage zuvor abgelehnt. Man wolle das Thema nicht setzen, so das Argument. Die Grünen-Spitze ist also irgendwie für Vermögensbesteuerung, aber lieber nicht zu sehr.

Doch gegen diesen Kurs regt sich intern Widerstand – und zwar an nicht unwichtiger Stelle. Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Wirtschaft und Finanzen“ (BAG) wirbt dafür, das Thema prominent zu spielen. „Als Partei, die mittlerweile einen gesellschaftlichen und politischen Führungs- und Orientierungsanspruch formuliert, müssen wir Grüne das Thema der ökonomischen und gesellschaftlichen Ungleichheit stärker als bisher ins Zentrum unserer Politik rücken“, heißt es in einem Beschluss. Verteilungsgerechtigkeit müsse als „zentrales grünes politisches Ziel“ wahrgenommen werden.

BAGs sind innerparteiliche Thinktanks der Grünen. Hier diskutieren ExpertInnen und Basismitglieder unterschiedliche Themen und liefern dem Vorstand zu. Die BAG Wirtschaft und Finanzen schlägt eine einmalige Vermögensabgabe zur Finanzierung der immensen Coronakosten vor. Außerdem will sie eine Bodenwertsteuer und eine Reform der Erbschaftsteuer „mit dem Ziel einer klaren, effektiven und fairen Besteuerung“.

Damit ärmere BürgerInnen mit niedrigen Gehältern überhaupt Vermögen aufbauen können, fordert die grüne BAG einen jährlich in Höhe der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern gespeisten BürgerInnenfonds. Aus diesem Fonds könnte zum Beispiel an jeden Bürger ein „Startgeld“ ausgezahlt werden, so der Beschluss. Ein Startgeld fordert etwa der französische Ökonom Thomas Piketty.

Mehr Mut bei SPD und Linken

Die Idee hätte den Charme, dass ärmere Leute sofort in der Lage wären, selbstbestimmter zu handeln. Auch jene, die ohne Erbe auskommen müssen, könnten plötzlich eine Immobilie anzahlen, eine Ausbildung finanzieren oder privat fürs Alter vorsorgen. Auf welchen Kurs sich die Grünen verständigen und ob Verteilungsgerechtigkeit in ihrem Wahlkampf eine Rolle spielt, ist noch nicht geklärt.

Die Konkurrenz links der Mitte tritt mit klaren Konzepten an. Die SPD fordert eine Vermögensteuer ab einem Nettovermögen von 2 Millionen Euro. Der Satz soll 1 Prozent betragen und für sogenannte Superreiche auf 1,5 Prozent und 2 Prozent steigen. Es sollen hohe Freibeträge gelten: 2 Millionen Euro für Alleinstehende, 4 Millionen für Verheiratete. Ein Ehepaar mit einem Nettovermögen von 4,1 Millionen Euro müsste also 1.000 Euro pro Jahr zahlen.

Die Linkspartei hat deutlich engagiertere Pläne. Sie wirbt für eine Vermögensteuer, die Vermögen ohne Schulden ab 1 Million Euro mit 5 Prozent belasten würde. Für Unternehmen und betriebsnotwendiges Vermögen gäbe es einen Freibetrag von mindestens 5 Millionen Euro. Dadurch, wirbt die Linke, würden rund 100 Milliarden Euro pro Jahr für Investitionen zur Verfügung stehen.

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