Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Perfekte Grauabdeckung und atemberaubender Liebreiz

Foto: Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

Meine Schauspiellehrerin sagt, man solle sich einmal am Tag blamieren“, sagt die Freundin.

„Wozu soll das gut sein und soll ich Schoko- oder Haselnussbraun nehmen?“, frage ich und betrachte Haarfarben bei Budni.

„Das soll dazu gut sein, Scham zu verlieren und freier beim Spiel zu werden. Eitelkeit stehe dem im Weg.“

„Ja, ja, die Eitelkeit, ich weiß auch nicht, warum ich meine Haare nicht einfach so lasse, wie sie sind.“

„Weil das dann ständig kommentiert wird.“

„Stimmt, entweder raten Frauen mir, ich solle mal wieder färben, oder sie loben, es sei mutig, es nicht zu tun. Passierte ständig, als ich so beschäftigt mit einer Manuskriptabgabe war, dass mich nicht interessierte, was auf meinem Kopf los ist.“

„Nachdem ich neulich eine übernächtigt-trauernde Frau in dem Film gespielt hab, bekam ich Kommentare, ich hätte zerklüftet und alt ausgesehen. Warum hätte ich glatt und sexy aussehen sollen? Es klang, als wäre ich krank oder als müsste man mich darauf hinweisen, dass ich nicht mehr jung bin, so, als wäre das der Newsflash für mich.“

„Als müsstest du Scham darüber empfinden.“

„Mich zu verwandeln.“

„In einen durch und durch erwachsenen Menschen.“

„Das ist man ja nicht nur durchs Alter.“

„Stimmt, Julius ist gerade 44 geworden und erwiderte neulich, als ich sagte, eine meiner Freundinnen werde dieses Jahr 50: ‚Wow, krass, das ist echt ein Game-Changer!‘Er klang ernsthaft schockiert, schließlich gehört sie auch zu seinem unmittelbaren Freundeskreis.“

„Hatte er seine Frau nicht mit einer 23-Jährigen betrogen?“

„Ja, und er betonte stets, ihre Unreife hätte ihn aber auch genervt.“

„Wie edel von ihm.“

„Mein Ex von vor 20 Jahren meinte neulich, dass Männer oft auf viel Jüngere stehen, liege vor allem daran, dass die so fröhlich und lieb rüberkämen und leicht zu beeindrucken seien – energetisch angehimmelt zu werden sei schon ein Antörner – Altersdiskriminierung hätte viel mehr damit zu tun als faltenlose Haut.“

„Wie ehrlich von ihm.“

„Ja, tolle Gesellschaft, Katastrophe als Mann.“

„Lässt sich das trennen?“

„Praktisch schon, er ist immer ein aufrichtiger und somit interessanter Gesprächspartner, aber ich würde nie wieder mit ihm schlafen.“

„Was soll ich denn jetzt nehmen? Schoko- oder Haselnussbraun?“

„Lass es doch einfach ganz.“

„Soweit bin ich noch nicht.“

„Dich zu blamieren?“

„Blamieren wofür?“

„Dass du sterblich bist!“

„Sag nicht das böse Wort!“

„Welches böse Wort?“

„Tod!“

„Hab ich nicht gesagt.“

„Irgendwie schon.“

„Vielleicht ist die verdrängte Angst vorm Tod der Grund für diese Altersdiskriminierung.“

„Auch.“

„Aber warum trifft diese Art der Diskriminierung Frauen so viel mehr und früher? Weil Frauen über ihre Fruchtbarkeit definiert werden?“

„Das ist vorgeschoben, Menschen haben ständig und überwiegend Sex ohne Fortpflanzungsziel, aber es ist ein Teil des bösartigen Kleinmachens.“

„Worum geht es genau?“

„Um Machterhalt.“

„Das ist alles?“

„Das ist ziemlich viel.“