Koalitionsausschuss zu Coronahilfen: Milliarden sollen aus Krise helfen

Die Beschlüsse zu den neuen Coronahilfen stoßen bei Parteien und Ver­bänden auf gemischte Reaktionen. Kritik gibt es an Höhe und Zielgenauigkeit.

Leere Tische eines Cafés

Die GroKo verteilt die Milliarden – aber sind es genug? Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

BERLIN taz | Die vom Koalitionsausschuss beschlossenen Coronahilfen für Bedürftige sollen möglichst schnell umgesetzt werden. Dies kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag in Berlin an. Er wolle einen Entwurf für ein drittes Sozialschutzpaket bereits am kommenden Mittwoch ins Kabinett einbringen, erklärte Heil. Darin enthalten seien der geplante einmalige Coronazuschuss für Grundsicherungsempfänger in Höhe von 150 Euro sowie die Verlängerung des erleichterten Zugangs zu Hartz-IV-Leistungen bis zum Jahresende.

„Die Menschen können sich auf den Sozialstaat verlassen“, sagte Heil. Die Hilfen seien „wirtschaftlich vernünftig“ und „sozial geboten“ und kämen „im Geldbeutel der Menschen“ an.

Der Koalitionsausschuss hatte am Mittwochabend angesichts der andauernden Belastungen durch die Coronakrise mehrere Sozial- und einige Wirtschaftshilfen beschlossen. So sollen Familien wie auch schon im vergangenen Jahr einen Kinderbonus als Aufschlag auf das Kindergeld bekommen. Dieser soll einmalig 150 Euro pro Kind betragen und wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet.

Für HochverdienerInnen ergibt sich demzufolge unter Umständen kein Plus im Geldbeutel. Wer allerdings das Kindergeld und nicht den steuerlichen Kinderfreibetrag bekommt – und das sind die allermeisten Familien –, erhält den vollen Bonus. Die Auszahlung wird nicht auf Leistungen der Grundsicherung angerechnet und kommt somit auch Hartz-IV-EmpfängerInnen zugute. Erwachsene Hartz-IV-EmpfängerInnen erhalten zudem einen einmaligen Zuschuss von 150 Euro pro Person.

Opposition fordert monatliche Erhöhung der Grundsicherung

Der einmalige Coronazuschlag soll mit etwa 800 Millionen Euro für den Staatshaushalt zu Buche schlagen. Der Kinderbonus koste rund 2 Milliarden Euro, sagte Heil am Donnerstag.

Wer erstmalig Grundsicherung beantragen muss, dem werden die Wohnkosten in den ersten zwei Jahren des Bezugs in voller Höhe erstattet. Vermögen des Beantragenden bis zu einer Höhe von 60.000 Euro sowie 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied werden nicht angerechnet. Die Regelung, die pandemiebedingt im vergangenen Jahr eingeführt wurde, wird nun bis Ende 2021 verlängert.

Die Grünen kritisierten den Koalitionsbeschluss als unzureichend für Bedürftige. Der einmalige Coronazuschuss von 150 Euro sei eine „mickrige Einmalzahlung“ und eine „herbe Enttäuschung“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linken, kritisierte, die Einmalzahlung von 150 Euro für Menschen in Grundsicherung werde den Mehrkosten durch Corona „nicht gerecht“. Linke und Grüne fordern einen monatlichen Zuschlag von 100 Euro während der Pandemie.

Ulrich Schneider, Paritätischer Gesamtverband

„Die Krisenbewältigung ist ein armutspolitisches Trauerspiel“

Eine Initiative aus mehreren Verbänden, auch dem Paritätischen Gesamtverband, hatte einen Aufschlag von 100 Euro monatlich während der Pandemie und eine dauerhafte Anhebung des Regelsatzes auf 600 Euro gefordert. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands, erklärte, die Krisenbewältigung der Koalition bleibe ein „armutspolitisches Trauerspiel“.

Auch Unternehmen sollen entlastet werden

Die Koalition beschloss weitere Wirtschaftshilfen. Eine erweiterte steuerliche Verrechnung von aktuellen Verlusten mit Gewinnen aus den Vorjahren soll es den Unternehmen ermöglichen, ihre Steuerlast zu reduzieren. Die Mindereinnahmen für den Staatshaushalt durch diese Erleichterungen betragen laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD) weniger als 1 Mil­liar­de Euro.

Der verringerte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent für Speisen in Cafés und Restaurants, der zunächst bis Ende Juni vorgesehen war, soll nun bis Ende 2022 weiter bestehen bleiben. Nach Schätzungen der SPD belaufen sich die daraus resultierenden Mindereinnahmen für den Staatshaushalt im Jahr 2021 auf rund 3,5 Mil­liar­den Euro.

Die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie bezeichnete der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga als „richtig, wichtig und mutmachend“. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, bemängelte allerdings, die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie sei wenig zielgenau. „Sie hilft Betrieben, die weniger betroffen sind und mehr Umsatz machen, stärker als Betrieben, die härter getroffen sind.“

Der Koalitionsausschuss beschloss zudem, auch das Rettungs- und Zukunftsprogramm „Neustart Kultur“ in einem Anschlussprogramm zu ver­längern. Dies soll 1 Milliarde Euro kosten.

Zum Umgang mit der Schuldenbremse zeigten sich angesichts der Milliardenhilfen in der Coronapandemie abweichende Vorstellungen zwischen Union und SPD. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus forderte ein Festhalten an der im Grundgesetz festgeschriebenen Vorgabe. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte hingegen, die Schuldenbremse habe den Fehler, Investitionen in die Zukunft im Zweifelsfall unmöglich zu machen. (mit dpa, afp, rtr)

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