heute in hamburg
: „Hoffnung ist von Angst gefärbt“

Diskussion „Hoffnung – eine dreiteilige Diskussionsreihe im Livestream“ des Literaturhauses Hamburg: mit Petra Bahr, Heinz Bude und Philipp Hübl, 19.30 Uhr, Anmeldung auf www.literaturhaus-hamburg.de

Interview Petra Schellen

taz: Herr Hübl, ist Hoffnung etwas Naives? Eine Nicht-Akzeptanz der Realität?

Philipp Hübl: Nein. Hoffnung ist erst mal ein normaler mentaler Zustand. Zugleich ist es eine Form des Wünschens. Aber wenn ich hoffe, dann weiß ich auch, dass der Eintritt dessen, was ich hoffe, nicht ganz sicher ist. Ob morgen die Sonne scheint, hängt zum Beispiel nicht von mir ab, es liegt – philosophisch gesprochen – außerhalb meiner kausalen Kontrolle.

Jetzt könnte man sagen: Wer hofft, tut nichts. Also kaschiert Hoffnung auch Resignation und Passivität.

Auf den ersten Blick schient das so. Ich glaube aber, genau da liegt der Unterschied zum Optimismus. Der Optimist sagt: „Es wird gut werden“ und hat keinen Antrieb, selbst etwas zu tun. Wer hofft, sagt aber: „Ich kann schon etwas tun, meinen Beitrag leisten. Aber ich weiß auch, dass nicht alles in meiner Hand liegt.“ Selbst wenn wir ein Glas Wasser nehmen, kann es uns aus der Hand gleiten. Es kann immer etwas schief gehen, und das preist der Hoffende mit ein.

Ist Hoffnung eher etwas Emotionales oder etwas Rationales?

Da jedes Hoffen auch ein Wünschen ist, in dem ich mir einen positiven Zustand vorstelle, ist sie durchaus emotional gefärbt. Sie ist auch von Angst gefärbt, weil eben diese Unberechenbarkeit da ist. Andererseits hoffe ich nichts, was ich für unmöglich halte – etwa, dass sich die Vergangenheit ändert oder dass hier morgen Aliens landen, um den Weltfrieden zu bringen. Ich würde Hoffnung deshalb als hybriden mentalen Zustand bezeichnen.

Kann jeder Hoffnung lernen?

Foto: Juliane Marie Schreiber

Philipp Hübl

45, Philosoph und Autor, hat derzeit eine Gastprofessur für Kulturwissenschaft an der Universität der Künste Berlin.

Ich glaube, das muss man nicht lernen, sondern es ist normal, dass man einen Wunsch oder eine Sehnsucht hat. Ohne das hätten wir ja überhaupt keine Motivation zu handeln. Und wünschen heißt immer, dass man sich einen Weltzustand vorstellt, den man für besser hält als den aktuellen.

Derzeit wird – etwa von den „Querdenkern“ – mit der Hoffnung Schindluder getrieben. Nach dem Motto „Ich kann Corona wegglauben, weghoffen.“ Wie sehen Sie das?

Ja, das nennt man in der Psychologie interessengeleitete Kognition. Da wird ein Idealzustand konstruiert – sei es in Form einer Ideologie, eines Wunschzustandes oder eines Bildes, das wir von der Welt haben –, und wir drehen uns die Welt so hin, wie sie uns gefällt. Da sieht man die Pandemie, wie es deren Leugner oft tun – als politisches Unterfangen, als Unterdrückungsmaschinerie des Staates oder der Eliten. So jemand ist dann auch eher geneigt sich einzureden, dass das Ganze von selber verschwindet und nicht gefährlich ist. Und wenn man einmal beschlossen hat, die Pandemie als Lüge zu betrachten, kommt man da schwer wieder heraus. Denn da hat eine Selbst-Immunisierung gegen rationale Argumente und wissenschaftliche Fakten stattgefunden.