Fürsprache-Stelle in Bremen-Nord: Hilfe von Ex-Betroffenen

Bei Fürsprache- und Beschwerdestellen arbeiten Menschen, die selbst Psychiatrie-Erfahrungen haben. In Bremen-Nord öffnet nun eine solche Stelle.

Ein Büro für Beratungen

Gute Beratungsangebote sind nicht immer leicht zu finden Foto: Tim Schamberger/dpa

BREMEN taz | Francis T. Luce macht zur Zeit eine Fortbildung zum Genesungsbegleiter. Er ist Experte aus Erfahrung, hat selbst psychiatrische Prozesse durchlaufen. Nun arbeitet er bei der neuen Fürsprache- und Beschwerdestelle in Bremen-Nord. Seit Februar hat damit der letzte noch fehlende Stadtbezirk eine solche Beratungsstelle bekommen.

Zu Luce können Menschen gehen, die unter einer psychischen oder Suchterkrankung leiden und Unterstützung brauchen. Auch solche, die in einer Einrichtung untergebracht sind und sich beschweren wollen, beispielsweise wenn ein Betreuer sie nicht gut behandelt. Das Besondere an der Beratung ist, dass einem dort Menschen gegenüber sitzen, die Vergleichbares erlebt haben.

Das Ziel der Fürsprache-Angebote ist Selbstwirksamkeit. „Wir betreuen auch Menschen, die nicht für sich sprechen können, aber wir versuchen, sie wieder dorthin zu bekommen“, so Luce. Wenn jemand in einer Einrichtung ist und andere über ihn entscheiden, sei es wichtig, eine Ansprechperson zu haben, die weiß, wie sich das anfühlt. Fürsprache hilft also Betroffenen bei der Durchsetzung ihrer Rechte, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Auch für Angehörige sei das Angebot gedacht.

Luce selbst ist durch Gewalterfahrungen traumatisiert, war psychotisch. Dass er Hilfe bekam, sei eine „sehr gute Erfahrung“ gewesen. Ge­ne­sungs­be­glei­te­r*in­nen seien damals aber noch nicht so bekannt gewesen. Noch mehr geholfen hätte ihm jemand mit ähnlichen Erfahrungen, da ist er sich sicher: „Der kann ganz anders mit Problemen umgehen, weil der ja die ganzen Klippen kennt.“

Sprechzeiten sind dienstags von 11 bis 14 Uhr. Die Telefonnummer ist ☎ 0152 / 51 43 43 81.

Beratungen sind aufgrund der Pandemie nur telefonisch möglich, auch außerhalb der Sprechzeiten.

Im Notfall ist in der Lindenstraße 1b in Vegesack auch eine Beratung vor Ort möglich.

Die Psychiatriereform merke jetzt langsam, dass Ge­ne­sungs­be­glei­te­r*in­nen in einem anderen Bezug zu Kli­en­t*in­nen oder Pa­ti­en­t*in­nen stehen als Ärzt*in­nen oder Therapeut*innen, sagt Luce. Viele würden aber immer noch denken, dass Medikamente das Wesentliche in einem Heilungsprozess seien. Und dass man studiert haben müsse, um Menschen helfen zu können. Aber die Erfahrung zeige, so Luce, dass die Kli­en­t*in­nen über die Ge­ne­sungs­be­glei­te­r*in­nen sagen: „Endlich versetzt sich jemand in unsere Lage.“

Für seine Lebensqualität sei es extrem wichtig gewesen, das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. „Es darf nicht das Ziel des Lebens sein, in einem Schutzraum zu sein“, sagt Luce.

Die Fortbildung und die eigene Psychiatrieerfahrung ist Voraussetzung für die Arbeit in der Fürsprache-Stelle, erklärt Luces Kollegin Frauke Hildebrandt. Sie ist bereits Genesungsbegleiterin. Psychiatrische Behandlungen seien immer noch „von oben herab, ausgrenzend, mit Medikamenten ruhig stellend“, findet Hildebrandt. Und Menschen mit psychischen Erkrankungen würden immer noch stigmatisiert.

„Ich kenne das selber“, sagt Hildebrandt, „wurde oft erschrocken angeschaut. Ich war wegen meiner Panikattacken eine gefährliche Person, wie aus den Polizeimeldungen“. Sie habe Ausgrenzung erlebt, und wie es ist, nicht ernst genommen zu werden: „Wenn ich als Betroffene für meine Rechte kämpfen wollte, wurde ich belächelt.“ Besonders hart treffe dies Menschen mit Suchterkrankungen, die oft nicht mal als krank erachtet würden. Deswegen seien die Ge­ne­sungs­be­glei­te­r*in­nen als Ergänzung des Systems so wichtig.

„Fürspracheangebot“ soll kommen

Ge­ne­sungs­be­glei­te­r*in­nen arbeiten heute schon in Krankenhäusern und bei freien Trägern; ihre Beteiligung solle aber „ausgebaut werden“, heißt es im Bremer Strategiepapier zur Psychiatriereform aus dem Januar 2019. In dem Papier stehen die Pläne zur Umsetzung der Psychia­triereform bis zum Jahr 2022. Darunter: „Etablierung eines Fürspracheangebotes in allen Regionen“. Finanziert wird die Stelle mit Projektmitteln der Psychiatriereform, sagt Lukas Fuhrmann.

Schon 2018 entstanden Fürsprachestellen in Mitte, im Westen und in Bremerhaven, „Ost und Süd kamen 2019 dazu“, so Hildebrandt. In Nord habe es allerdings lange gedauert, einen Träger zu finden. Mit der Therapiehilfe Bremen gGmbH sei dies nun endlich gelungen. Die Finanzierung laufe noch bis Dezember. Das Ziel vieler Initiativen sei daher, dass diese Stellen kein Projekt bleiben, sondern in Zukunft direkt im Bremer Haushalt auftauchen.

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