heute in hamburg
: „Nicht alle Körper haben gleiche Rechte“

Buchpremiere „Body Politics“ mit Melodie Michelberger: 19.30 Uhr, Livestream aus dem Zeise Kino, Tickets 5,50 Euro, www.zeise.de

Interview Johanna Sethe

taz: Frau Michelberger, fühlen Sie sich schön?

Melodie Michelberger:Oh Gott, also ich weiß gar nicht, ob ich mich schön finde. Ich fühle mich auf jeden Fall selbstbewusst und stark.

Wer entscheidet, was „schön“ ist?

Wenn man bei Google „schöne Frau“ eingibt, zeigen die Ergebnisse relativ klar, was wir in unserer Gesellschaft unter Schönheit verstehen. Da ist zum einen die Beautyindustrie, die das Idealbild, was vorherrscht, seit Jahrzehnten immer wieder reproduziert. Zum anderen meinen wir, wenn wir sagen, dass wir zum Beispiel glitzernde Augen schön finden, meist Frauen, die im Gesamtbild dem Ideal entsprechen – also groß, schlank, lange Haare, glatte Haut, symmetrisches Gesicht.

Sie selbst waren bei Gala und Brigitte. Welche Rolle spielen Medien und die da vermittelten Bilder?

Die Medien sind wie ein Werkzeug, mit dem wir unser Schönheitsideal manifestieren. Es ist ja kein Zufall, dass wir, vor allem in Frauenzeitschriften, aber auch in Fernsehserien und auf Werbeplakaten, keine Diversität an Körperformen sehen. Die Vorurteile gegenüber dicken Menschen sitzen eben auch in den Redaktionsleitungen großer Frauenzeitschriften.

Und Social Media?

Also auf der einen Seite kann es natürlich ein krasser Verstärker sein, weil es genau diese Bilder in noch viel größerer Menge in jeden Winkel der Welt verteilt. Auf der anderen Seite kann es aber auch ermöglichen, dass die Menschen sichtbar werden, die aufgrund ihres Körpers marginalisiert und in den Mainstreammedien eben nicht präsent sind.

Foto: Julia Marie Werner

Melodie Michelberger 44, hat viele Jahre bei Gala und Brigitte gearbeitet und ist Influencerin und Autorin von „Body Politics“.

Warum können wir nicht einfach aufhören, überhaupt über Körper zu sprechen?

Ich hoffe, dass wir damit irgendwann aufhören können. Aber es ist ja leider immer noch so, dass gesellschaftlich nicht alle Körperformen die gleichen Rechte haben. Es gibt Studien, die zeigen, dass vor allem dick_fette Menschen es schwerer haben, einen Job zu finden. Und solange ich einen Shitstorm bekomme, wenn ich sage, dass ich mir eine dicke Disneyprinzessin wünsche, sind wir glaube ich noch ziemlich weit davon entfernt, dass Körper kein Thema mehr sind.

Was war der Auslöser für Ihr Buch „Body Politics“?

Durch meine Arbeit und den vielen Kontakt mit meinen Follower:innen, hatte ich einfach das Bedürfnis, meine Geschichte zu erzählen. Es hat mir aber auch geholfen, in meinem eigenen Kopf nach Antworten zu suchen und zu verstehen, warum ich mich mein Leben lang in einem schlanken Körper so unwohl gefühlt habe. Ich bin ja noch gar nicht so lange dick. Dass mir fremde Männer im Netz Gesundheitstipps geben, ist für mich neu. Als ich früher magersüchtig war, hat niemand in Frage gestellt, dass es mir gut geht.