FC-Bayern-Trainer Hansi Flick: Extrem fehlendes Feingefühl

Hansi Flick äußert sich abwertend über den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Damit schadet er vor allem: sich selbst.

Hansi Flick steht auf dem Platz und gibt Anweisungen

Fußballtrainer vs. Politiker: Münchens Trainer Hansi Flick teilt gegen SPD-Mann Karl Lauterbach aus Foto: Hussein Sayed/dpa

Es gibt etwas, was Fußball­bundesligatrainer in der Regel gar nicht mögen. Sie werden höchst ungern dazu genötigt, öffentliche Einzelkritik an ihren Spielern zu üben. Zu viel Lob könnte dem jeweiligen Profi schließlich zu sehr zu Kopfe steigen, zu viel Kritik dagegen die Beine lähmen. Selten also werden Einzelbewertungen vorgenommen.

Noch seltener allerdings unterziehen Fußballtrainer Berufspolitiker einer persönlichen Beurteilung. Aus gutem Grund, möchte man meinen. Es wirkte reichlich bizarr, als FC-Bayern-Trainer Hansi Flick am Sonntag nach der Rückkehr des Teams von der Klub-WM in Katar dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach eine schlechte Zensur und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine gute ausstellte. Ersteren wertete Flick als einen der „sogenannten Experten“ ab, der sich zu allem äußern müsse, Letztere dagegen würde sich nie zu wichtig nehmen, auch wenn sie nur ein Mensch sei und Fehler mache wie wir alle.

Für sich genommen sind die Ansichten des Hansi Flick nicht weiter skandalös. Lauterbach, der zuletzt wegen der Pandemie die Reiseaktivitäten der Klubs kritisiert hatte, kann man nervig finden und Merkel vergleichsweise erträglicher. Außerdem möchte man nicht wirklich wissen, wie die Berufspopulisten im Verein, wie Uli Hoeneß und Karl-Heinz-Rummenigge, ihre persönliche Einschätzung zu Karl Lauterbach formuliert hätten.

Mann des Ausgleichs

Sie sahen zuletzt gar einen Skandal darin, dass das Nachtflugverbot in Berlin auch für den FC Bayern gilt und sich deshalb der Flug nach Katar, zum menschenrechtsverachtenden Sponsorpartner, verzögerte. Und Rummenigge wollte an der Impfreihenfolge drehen und brachte eine Vorzugsbehandlung der Profifußballer als Vorbilder für Impf­muffel ins Gespräch. Hoeneß und Rummenigge sind allerdings schon lange für ihre rücksichtslose wie impulsive „FC-Bayern-First-­Politik“ bekannt, der auch die Coronapandemie nur wenig anhaben konnte.

Hansi Flick dagegen hat sich während seiner Trainerzeit beim FC Bayern als besonnener Stratege profilieren können. Er gilt im Starensemble des FC Bayern als ein Mann des Ausgleichs, der kontrollierten Kommunikation und des guten Timings. Er ist einer, der sich bislang von niemandem hat locken lassen, um billig Aufmerksamkeit und angebliches Profil zu gewinnen.

Gerade diese Wesenszüge lassen seine jüngsten Äußerungen besonders grell erscheinen. Man könnte einwenden, Hansi Flick ist eben wie Angela Merkel auch nur ein Mensch und macht Fehler wie jeder andere. Strategisch gesehen passen seine Einlassungen so gar nicht zur Demut, für welche die Funktionäre des Profifußballs im letzten Jahr so treuherzig wie beständig geworben haben. Auch das Timing ist denkbar schlecht gewesen. Wenige Stunden vor Flicks persönlicher Kritik hatte Karl Lauterbach auf die öffentliche Hetze und Aggression aufmerksam gemacht, denen er in den sozia­len Netzwerken ausgesetzt ist.

Von allen hofiert

Flick dürfte – wenn auch unfrei­willig – den Kessel weiter aufgeheizt haben. Sich selbst hat er geschadet, weil er durch seine Wortwahl („sogenannte Experten“) auch manche Fans unter den Querdenkern und Lauterbach-Hassern gewonnen hat. Dass Flick sich zugleich als Merkel-Bewunderer outete, unterschlugen diese in den sozialen Netzwerken geflissentlich.

Wenn selbst besonnenere Köpfe des privilegierten Profifußballs wie Hansi Flick sich von der Reisekritik eines Gesundheitspolitikers so aus der Ruhe bringen lassen und zum moralischen Gegenangriff schreiten, dann spricht das für ein extrem fehlendes Feingefühl und eine sehr eigensinnige Wahrnehmung.

Profifußballer haben sich auch schon vor Corona immer in einer Blase bewegt, in der man es gewohnt war, von allen hofiert zu werden. Mit der Pandemie hat sich daran erstaunlicherweise trotz gegenteiliger Behauptungen kaum etwas geändert. Hoeneß und Rummenigge können das Ansehen des Fußballs nicht weiter verspielen, Hansi Flick aber leider schon. Nur die FC-Bayern-Hasser werden sich sowieso bestätigt fühlen.

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