Debatte ums „Gendern“: Schluss jetzt!

Wir müssen reden. Über Gewalt gegen Frauen oder deren Altersarmut. Aber nicht mehr darüber, was Reaktionäre übers Gendern denken.

Flaschensammlerin durchsucht einen Mülleimer nach Pfandflaschen in der Fußgängerzone

Altersarmut von Frauen ist für viele Medien weniger interessant, als sich übers Gendern aufzuregen Foto: Ralph Peters/imago

Wir leben in einer Krise, unsere Weltordnung ist bedroht. Denn Fe­mi­nis­t:in­nen haben die Macht in der Welt übernommen und verfolgen nur ein einziges Ziel: Genderzwang für alle!

An der Aussage ist natürlich nichts dran, doch regelmäßige Le­se­r:in­nen von Zeit, FAZ oder Springer-Medien könnten diesen Eindruck bekommen, wenn man beachtet, mit welcher Regelmäßigkeit und Verve dort gegen geschlechtergerechte Sprache gewettert wird – und das seit Jahren. So ist aktuell auf faz.de zu lesen: „Krieg der Stern*innen: Müssen wir bald alle gendern?“. Schon 2018 witterte Ulrich Greiner in der Zeit die große „Sprachzensur“ durchs Gendern und in der Welt sieht man unter dem „Gender-Zwang“ gleich einen „Eingriff in die Grundrechte“.

Dies sind nur drei wahllos ausgewählte Beispiele. Wer das wahre Ausmaß der „Debatte“ erfassen möchte, muss nur einmal das Schlagwort „gendern“ in die Suchzeile deutscher Medien eingeben. Die mindestens vierstelligen Ergebnisse unterstreichen meine These, dass wir nun ausreichend übers Gendern gesprochen haben.

Verstehen Sie mich nicht falsch, mir liegt gendergerechte Sprache am Herzen. Gerade Jour­nal­is­t:in­nen tragen Verantwortung dafür, alle Menschen – auch sprachlich – abzubilden. Zudem dient Sprache nicht nur der Abbildung, sondern formt auch unsere Wirklichkeit, weswegen es wichtig ist, nicht einen Großteil der Gesellschaft zu exkludieren. Klar ist auch: Fortschritt vollzieht sich in unserer Gesellschaft nur quälend langsam, und natürlich hat die Debatte auch ihre guten Seiten. So erklären immer mehr Medien, wie aktuell die Frankfurter Rundschau oder der Tagesspiegel in Deutschland, künftig (auch) gendergerechte Sprache zu nutzen.

Doch gestritten haben wir nun lange genug. Die Argumente – wenn man „ist hässlich“ oder „verhunzt die Sprache“ überhaupt als Argumente durchgehen lassen kann – sind alle ausgetauscht.

Die Debatte ums Gendern ist nervtötend – und auch gefährlich. Wichtige Themen, wie Gewalt gegen FLINT-Personen und fehlende Schutzräume für Betroffene oder Forderungen wie die Abschaffung des Ehegattensplittings, um Altersarmut von Frauen zu bekämpfen, verlieren im Kampf um den Raum, den sich reaktionäre Fortschrittsverweigerer mit ihrem drölfzigsten Text zum Gendern einfach nehmen.

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