Zwangsräumung in Hamburg: Trotz Corona vor die Tür gesetzt

Zwar ist 2020 die Zahl der Zwangsräumungen im Vergleich zum Vorjahr gesunken, doch angesichts der Pandemie nur wenig – auch bei der städtischen Saga.

Pfandsiegel des Gerichtsvollziehers

Trotz Pandemie stehen Zwangs­voll­zie­he­r:in­nen vor vielen Türen Foto: Arne Dedert/dpa

HAMBURG taz | Die Wohnung weg inmitten der Pandemie: In Hamburg liegen nun die Zahlen der Zwangsräumungen für das vergangene Jahr vor. So gab es insgesamt 977 Räumungen, wovon etwas mehr als 600 Fälle in die Zeit der Pandemie fallen. Im Jahr zuvor waren es 1.239 Räumungen.

Das ist zwar ein Minus von rund 21 Prozent, die Linksfraktion ist dennoch empört: „Menschen verlieren mitten in der Pandemie ihre Wohnung und niemand tut etwas dagegen“, sagt Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion.

Die Linke beklagt, dass sich die Stadt angesichts steigender Erwerbslosigkeit und gleich hoch bleibender Mieten kaum für die Sicherung von Wohnraum einsetze – das würden die Räumungszahlen zeigen. Dabei hatten sich die Hamburger Justizbehörde und das Amtsgericht Mitte vergangenen März darauf geeinigt, Zwangsräumungen bis nach der Krise aufzuschieben und auch niemandem den Strom abzustellen, der coronabedingt nicht zahlt.

Vordergründig wurde bei der Entscheidung nicht die möglicherweise problematische Situation von Mie­te­r:in­nen angeführt, sondern die Ansteckungsgefahr für Ge­richts­voll­zie­he­r:in­nen bei diesen Außendiensten. Anfang Juli jedoch hatten Ge­richts­voll­zie­he­r:in­nen wieder vollumfänglich ihre Arbeit aufgenommen.

Hamburg im allgemeinen Trend

Hamburg ist das erste Bundesland im Norden, über das Zahlen von Zwangsräumungen im Pandemiejahr 2020 bekannt sind. Zahlen anderer Kommunen im Norden, etwa aus Hannover, lassen aber darauf deuten, dass die Hamburger Zahl im allgemeinen Trend liegt. In Hannover wurden in den sieben Monaten zwischen März und September vergangenen Jahres 141 Zwangsräumungen durchgeführt.

Im gesamten Vorjahr waren es 314. Somit dürfte es aufs Jahr gerechnet auch dort einen nur moderaten Rückgang gegeben haben.

Besonders empört ist die Linke, dass ein relevanter Teil der Räumungen seit Pandemiebeginn bei der städtischen Saga stattgefunden hat. 109 Zwangsräumungen aus dem Mietbestand des städtischen Wohnungsunternehmens gab es dort. Während die Saga in den ersten Monaten der Pandemie darauf fast vollständig verzichtete, sprangen die Zahlen Mitte vergangenen Jahres wieder in die Höhe.

Zwangsräumung als „letztes Mittel“

Unsoziales Handeln sieht die Saga darin nicht. „Die Durchführung einer Räumung ist immer das letzte mögliche Mittel“, sagt Saga-Sprecher Gunnar Gläser. Gründe für die Durchsetzung einer Räumung können wiederholte Verstöße gegen die Hausordnung sowie insbesondere massives und wiederholtes Fehlverhalten des Mieters und eine damit einhergehende unzumutbare Belastung der Nachbarschaft sein.

Es habe sich nicht um Mie­te­r:in­nen gehandelt, die wegen der Pandemie kein Geld mehr zum Zahlen der Miete haben. „Weiterhin gilt unsere Zusage, dass wir auf fristlose Kündigungen oder Räumungen in Fällen nachweislich durch die Coronakrise bedingter Zahlungsausfälle oder Mietrückstände verzichten“, sagt Gläser.

Gunnar Gläser, Sprecher der Saga

„Die Durchführung einer Räumung ist immer das letzte mögliche Mittel“

Die Zahlen gehen aus der Antwort einer Anfrage der Linksfraktion hervor. Darin betont der Senat allerdings auch, dass die Fachstellen für Wohnungsnotfälle mit ihrer Präventionsarbeit einen großen Beitrag leisten, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden.

Bei Hinweisen auf eine ungesicherte Wohnsituation würden sie umgehend Kontakt mit den betroffenen Personen aufnehmen, um eine Räumung abzuwenden oder für eine neue Unterbringung zu sorgen. Allein zwischen Oktober und Dezember suchten dort mehr als 1.300 Haushalte Hilfe.

Die Hamburger Linksfraktion fordert in der am Mittwoch anstehenden Bürgerschaftssitzung mit einem Antrag die vorläufige Aussetzung aller Zwangsräumungen.

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