Die Bitcoin-Blase: Der Zynismus von Elon Musk

Tesla-Gründer Musk propagiert unseriöse Börsenhypes wie GameStop oder Bitcoin. Kein Wunder – auch Tesla ist eine unsichere Wette auf die Zukunft

Elon Musk blickt nach oben vor einem roten Hintergrund

Hochmut kommt vor dem Fall? Die Zeit wird es zeigen Foto: Xinhua/imago-images

An Bitcoin, Tesla und GameStop zeigen sich auffällige Parallelen. Erstens: Lange dümpelte ihr Börsenkurs – doch plötzlich schoss er in die Höhe. Zweitens: Immer mischte Tesla-Gründer Elon Musk mit. ­Beispiel Bitcoin: Diese virtuelle Münze war vor einem Jahr weniger als 10.000 Euro wert, kostet aktuell aber über 38.000 Euro. Musk hat nicht die ganze Bitcoin-Rallye befeuert, sorgte aber kürzlich für einen weiteren Schub, als er am Montag bekannt gab, dass Tesla 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoins investiert habe. Das war ein Signal für viele Bitcoin-Fans, das Computergeld ebenfalls zu kaufen.

Gleichzeitig erwarben viele Bitcoin-Fans aber auch Tesla-Aktien – eben weil der Autokonzern neuerdings so viele Bitcoins besitzt. Wieder einmal zeigte sich, dass Musk weiß, wie Marketing funktioniert. Er muss Tesla permanent im Gespräch halten, damit sich die Anleger nicht fragen, ob der Konzern überbewertet sein könnte. Vor einem Jahr kostete eine Tesla-Aktie ungefähr 160 Euro, jetzt liegt sie bei etwa 670 Euro.

Auch bei GameStop meldete sich Musk zu Wort: Der Kurs war bereits von etwa 6 auf 200 Dollar gestiegen, als Musk vor zwei Wochen per Twitter riet, die Aktie des taumelnden Videospielverleihers unbedingt zu kaufen. Prompt schoss der Kurs auf 483 Dollar hoch. Diese Hausse währte nur kurz – inzwischen ist die Aktie etwa 50 Dollar wert.

GameStop könnte ein Menetekel für Musk sein: Es ist nicht auszuschließen, dass auch die Kurse von Bitcoin und Tesla irgendwann crashen. Allerdings sind die drei Vermögenswerte sehr unterschiedlich und Prognosen daher schwierig.

Um zunächst bei GameStop zu bleiben: Dort war immer klar, dass der Kurs wieder kollabieren würde. Das Unternehmen betreibt zwar rund 5.000 Filialen, aber es ist abzusehen, dass niemand mehr Videospiele ausleiht – weil sie sich im Internet herunterladen lassen. Der Hype um GameStop musste scheitern, denn ein weitgehend wertloses Unternehmen kann nicht wertvoll werden.

Auch Kleinanleger dürften stark verloren haben – vor allem, wenn sie auf Musk gehört und die GameStop-Aktie zu überteuerten Kursen gekauft haben. Doch Musk ist erkennbar egal, dass er vielen seiner Fans geschadet hat.

Längst ist er beim nächsten Thema: Bitcoin. Objektiv hat diese Kryptowährung keinerlei Wert. Doch was heißt schon „objektiv“. An der Börse entsteht „Wert“ im Auge des Betrachters. Solange genug Spekulanten glauben, dass Computergeld wertvoll ist, und ihre Euros oder Dollars hineinpumpen – so lange wird der Hype weitergehen. Zumal Bitcoin von dem paradoxen Vorteil zehrt, dass die wirkliche Welt nicht in die Quere kommt.

Niemand wirft VHS-Kassetten ein, um Filme zu gucken. Auch Bitcoins könnten bald eine Technik von vorgestern sein

Bei GameStop kann jeder Anleger mit eigenen Augen sehen, dass die Filialen hohe Mieten kosten und nur wenige Kunden anziehen. Bei Bitcoin gibt es diese Kontrolle durch die Realität nicht. Das Kryptogeld ist eine virtuelle Erfindung. Da stört es nicht, dass realer Nutzen nicht erkennbar ist.

Wie der Name „Bitcoin“ sagt, ist die Kryptowährung offiziell als Zahlungsmittel gedacht. Doch die Blockchain-Technologie ist so umständlich, dass ein schneller Bitcoin-Transfer derzeit 8,27 Dollar kostet. Wobei „schnell“ meint, dass dies bis zu dreißig Minuten dauern kann. Und selbst dieses teure Schneckentempo ist nur möglich, weil momentan fast niemand die Kryptowährung benutzt. Denn je mehr Bitcoin-Überweisungen es gibt, desto mehr Zeit benötigen die Transfers. Für die reale Welt ist Bitcoin also nicht gemacht.

Es handelt sich um eine Spekulationsblase, die von einer fanatischen Bitcoin-Gemeinde und Gurus wie Musk aufgepumpt wird. Wie dem Tesla-Geschäftsbericht zu entnehmen ist, weiß Musk allerdings genau, dass Bitcoin keine Zukunft hat. Explizit werden dort „technische Risiken“ erwähnt.

Bitcoin-Fans glauben, es sei pfiffig, dass die Kryptowährung durch einen bestimmten Algorithmus hergestellt, gespeichert und transferiert wird. Nicht eingerechnet ist jedoch der technische Wandel. Wie Kommentatoren hämisch angemerkt haben, wirft niemand mehr VHS-Kassetten ein, um Filme zu gucken. Auch Bitcoins könnten bald eine Technik von vorgestern sein.

Inzwischen sind Bitcoin und andere Kryptowährungen unfassbare 1,3 Billionen Dollar wert. Ein Crash wäre also sehr schmerzhaft für die Anleger. Zynischerweise setzen einige Bitcoin-Investoren genau auf diesen Effekt: Sie glauben, die Kryptowährungen seien inzwischen „too big to fail“, müssten also vom Staat gerettet werden, falls sie zusammenbrächen.

Doch diese selbstgewisse Hoffnung dokumentiert nur die grassierende Selbstüberschätzung in der Bitcoin-Gemeinde: Kryptowährungen sind so überflüssig, dass sie das normale Finanzsystem nicht erschüttern können. Der Staat wird nicht eingreifen, und die Anleger werden auf Verlusten sitzen bleiben.

Trotzdem sind die Kryptowährungen nicht folgenlos: Ihre Blockchain-Technologie frisst ungeheure Energiemengen – emittiert also Treibhausgase und schädigt das Klima. Allein Bitcoin verbraucht momentan rund 121 Terawattstunden Strom pro Jahr, also ungefähr so viel wie die Schweiz und Österreich zusammen.

Mit Bitcoin propagiert Elon Musk eine Spekulationsblase, die wahrscheinlich crashen wird und zudem das Klima ruiniert. Was sagt das über Tesla? Momentan ist Tesla der teuerste Autokonzern der Welt, obwohl das Unternehmen nur 500.000 Wagen im Jahr herstellt.

Tesla ist also eine Wette auf die Zukunft. Die Anleger glauben offenbar, dass kein anderer Konzern Tesla jemals bei den E-Autos einholen kann. Vor allem aber setzen die Investoren darauf, dass die Weltgemeinschaft auf Dauer toleriert, dass Tesla-Autos sinnlos Strom verschwenden, um neueste Gadgets und Rekordgeschwindigkeiten zu bieten. Tesla-Autos funk­tio­nie­ren wie Bitcoins: Das Klima ist egal.

Doch der Klimawandel lässt sich nicht ignorieren, und damit hat Tesla so wenig Zukunft wie Bitcoin. Wahrscheinlich weiß dies niemand besser als Musk – sonst wäre er nicht so zynisch.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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