heute in hamburg
: „Die Geschichte der Schule im NS wird klarer“

Virtuelle Kundgebung „Erinnerung an Zwangsarbeitslager in der Schule Schanzen­straße 1943 –1945“: 18 Uhr, https://bit.ly/2Z4dFuS,

Passcode: 202102

Interview Robert Matthies

taz: Herr Artus, welche Rolle spielte die damalige Volksschule Schanzenstraße/Altonaer Straße in der NS-Geschichte des Schanzenviertels?

Holger Artus: Die Schule in der Schanzenstraße, die heutige Ganztagsgrundschule Sternschanze, ist vor allem durch die Deportation von 1.700 jüdischen Menschen 1942 bekannt geworden. Aber jetzt ist auch herausgekommen, dass in der Schule von 1943 bis 1945 über 400 italienische Zwangsarbeiter in einem bewachten Lager untergebracht waren, die unter erbärmlichen Bedingungen leben mussten. Die ganze Geschichte der damaligen Schule wird immer transparenter, dazu gehört auch die Ablehnung der Aufnahme von Schülerinnen aus der Israelitischen Töchterschule, die später nach Theresienstadt deportiert wurden.

Wer hat von der Zwangsarbeit im Schanzenviertel profitiert?

Die italienischen Militärinternierten, aber auch andere Zwangs­ar­bei­te­r:in­nen waren im Schanzenviertel bei verschiedenen Unternehmen im Einsatz, dazu gehörten der Schreibwarenhersteller Mont Blanc in der Schanzenstraße und Denert & Pape im Schulterblatt 58, bekannt durch den Rechenschieber. Aber auch ein Rüstungsunternehmen und Schlachthofunternehmen haben davon profitiert.

Sie haben herausgefunden, dass die Schule nach der Befreiung vom Nationalsozialismus noch bis in die 1980er-Jahre von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern geleitet wurde.

Foto: privat

Holger Artus

65, setzt sich mit der Initiative „Kein Vergessen im Weidenviertel“ dafür ein, die lokale NS-Geschichte im Schanzen- und Weidenviertel breit bekannt zu machen.

Emma Lange, die bis 1943 die Schule leitete, war im Nationalsozialistischen Lehrerbund Hamburg Gausachbearbeiterin für Mädchenerziehung. Sie war auch nach 1945 bis 1957 wieder Schulleiterin. Und auch ihre Nachfolgerin bis 1982, Ingrid Möller, war bis Ende April 1945 als BDM-Führerin tätig. In meinem Blog kann man das nachlesen. In der Schule waren noch vier weitere NSDAP-Mitglieder. Das ist erschreckend, weil sie die ganze Zeit über ihre rassistischen und ausländerfeindlichen Positionen vertreten haben. Noch Anfang des 1980er-Jahre hat sich Möller meines Erachtens etwa ausländerfeindlich geäußert, indem sie ausländische Vorschulkinder als nicht schulreif bezeichnet hat.

Sie wollen mit einer virtuellen Kundgebung an die Zwangs­ar­bei­te­r:in­nen aus dem Schanzenviertel erinnern. Wie wird diese Kundgebung aussehen?

Es werden Reden gehalten und es wird kleine Videos geben. Vor allem ist bei der Kundgebung aus Italien die Geschäftsführerin der Nationalen Vereinigung der italienischen Militärinternierten, Silvia Pascale, zu Gast und spricht. Die Vereinigung vertritt die noch lebenden italienischen Militärinternierten, die bis heute nicht entschädigt wurden.