Der ganze Beckmann

Ein Forum für die Forschung: Nach fünfjähriger Arbeit ging Mitte Januar ein digitales Werkverzeichnis online

Stolz des Hauses: Die Kunsthalle hat Beckmanns „Selbstbildnis Florenz“ gekauft Foto: Elke Walkford/VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Von Alexander Diehl

Am 15. Januar um 15 Uhr war es so weit: Die Hamburger Kunsthalle konnte das – so erklärte man weiß Gott nicht frei von Stolz – „weltweit erste Online-Werkverzeichnis aller Gemälde des Künstlers Max Beckmann“ freischalten. In Zahlen heißt das: 843 Gemälde in farbiger Abbildung, unter anderem auch das Florentiner „Selbstbildnis“ von 1907. Im Dezember gerade hatte die Kunsthalle dessen Ankauf verkünden können, den teuersten in der Geschichte des Hauses. Dazu kommt jetzt Datenmaterial zu „mehr als 5.100 Publikationen, über 1.350 Ausstellungen, rund 2.500 Personen, 1.100 Institutionen und 264 Auktionen sowie 129 Archivmaterialien“. Solche Bestände freilich stehen und fallen mit ihrer Erschlossenheit, da leuchtet es ein, dass hingewiesen wird auf „vielfältige Sortier- und Filterfunktionen“.

Ein Ersatz für die am Ende wohl nicht mehr dem Publikum zugängliche Beckmann-Ausstellung? Nein, schon weil die Arbeit an dem nun vorliegenden „Catalogue Raisonné“ bereits 2016 begonnen hatten, da war noch kein die Kulturinstitutionen lahmlegender Shutdown absehbar. Weltweit zugänglich und kostenfrei nutzbar, steht das digitale Verzeichnis zwar auch verhinderten Mu­se­ums­be­su­che­r:in­nen offen – aber vor allem doch der Wissenschaft.

Der nämlich sehe sich das Haus seit seiner Gründung als „besonders verpflichtet“, das unterstrich zum Launch des Online-Angebots Kunsthallen-Direktor Alexander Klar. Dazu passt, dass ausgehend von dem Projekt die Kunsthalle auch noch ein „Beckmann Forum“ ins Leben ruft: „Im engen, internationalen Austausch mit Museen, Archiven, Universitäten und ausgewählten Experten wird es in den kommenden Jahren ein lebendiges Forschungszentrum für den Künstler sein.“

Besorgt hat das Werkverzeichnis Anja Tiedemann, Kunsthistorikerin mit Schwerpunkt Kunstmarktforschung, die aber auch schon zu vermeintlich „Entarteter Kunst“ gearbeitet hat. Auch der Modernist Beckmann (1884–1950) hat ja vom NS-Regime dieses vernichtende Label erhalten – dahingestellt, ob er wirklich „Hitlers bestgehasster Maler“ war, wie es 2018 in manchen deutschen Zeitungen stand: Da hatten die Staatlichen Museen Berlin ein bedeutendes Beckmann-Konvolut erhalten, stammend aus dem Nachlass des Sammler-Ehepaars Barbara und Erhard Göpel.

Auf einem Werkverzeichnis, das 1976 ebendiese Barbara Göpel veröffentlicht hatte, fußt wiederum das jetzt vorliegende digitale. Finanziert hat es die Kaldewei-Kulturstiftung, seit 2012 verpflichtet der „Förderung von Kunst und Kultur, vornehmlich des deutschen Expressionismus des 20. Jahrhunderts“. Sie hat auch eine Personalstelle sowie weitere Mittel für die Beckmann-Forschung angekündigt, damit das Verzeichnis „regelmäßig aktualisiert und ständig weiterentwickelt“ werde. Von einem „Marathon“ sprach zur Fertigstellung des digitalen Verzeichnisses Stiftungsvorstand Carl-Heinz Heuer.

Verzeichnis: www.beckmann-gemaelde.org