Software überall: Ein Abo für die 60-Grad-Wäsche

Software in der Waschmaschine und am Kaffeeautomaten? Damit lässt sich einiges anstellen. Es stehen rosige Zeiten bevor – für die Industrie.

Teddybär in der Waschmaschine

Den Teddy bei 60° waschen? Nur mit gebührenpflichtiger Zusatz-Software! Foto: imagebroker/imago

Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein knapp fünf Meter langes Auto in eine handelsübliche Großstadtparklücke manövrieren. Nicht so gut? Nun, wie praktisch, wenn der Autohersteller eine Einparkhilfe dazuliefert. Kostenpunkt: mindestens 9 Euro im Monat. Ab 442 Euro gibt es das Einparken autolebenslang dazu. Eine sofort wieder verworfene Idee aus einem internen Konzeptpapier der Automobilindustrie? Nein, ein erhältliches Produkt aus dem Hause Audi.

Nun hält sich das Mitleid mit den Besitzer:innen von knapp fünf Meter langen Neuwagen aus guten Gründen in Grenzen. Doch es ist zu erwarten, dass der Automarkt kein Einzelfall bleibt. Und dass mit der zunehmenden Ausstattung von Alltagsgeräten mit Software immer mehr Hersteller auf die Idee kommen, für Zusatzfunktionen extra Geld zu verlangen.

Die Idee ist ja auch so einfach und zugleich genial, dass der Jubel in den Chefetagen ohrenbetäubend gewesen sein muss, als ihnen bewusst wurde, wie einfach und genial sie ist: Wenn wir Software in unsere normalen Elektrogeräte einbauen – dann können wir nicht nur eine Obsoleszenz einplanen, indem wir einfach irgendwann keine Updates mehr liefern. Nein, viel besser: Wir können bis dahin auch noch mit Zusatzdiensten Geld verdienen!

Nicht schwer vorzustellen, wie das eines Tages aussehen könnte: Der Wasserkocher soll Wasser nicht nur einmal zum Kochen bringen, sondern ein paar Minuten warm halten? Bitte extra zahlen. Die Lampe lässt sich zwar an- und ausschalten, aber Dimmen wäre schön? Geht, gegen ein monatliches Abo. Die Kaffeemaschine möge bitte auch Milch aufschäumen? Wir hätten hier ein attraktives Paket mit Zusatzdiensten für Sie.

Die logische nächste Stufe wäre es dann, einen Teil der Basisfunktionen nur noch gegen zusätzliche Gebühren freizuschalten: Wer die Wäsche nicht nur bei 30 Grad, sondern auch mal bei 60 Grad waschen will, wer möchte, dass das Thermostat die Heizung nachts herunterregelt oder den Kuchen im Ofen gern mit Umluft backen würde – bitte extra zahlen.

Im Fall Audi ist das tatsächlich schon grenzwertig: Zubuchbar ist nicht nur der Parkassistent. Sondern unter anderem auch ein „Licht-Funktionspaket“, das auch eine „bessere Nachtsicht“ verspricht. Ist das noch Zusatz? Oder schon eher die 60-Grad-Wäsche? Sollte ein Auto im üblichen Auslieferungszustand nicht so sicher sein wie technisch möglich?

Für die Hersteller von Alltagsgeräten hätte das Geschäft mit Extradiensten übrigens noch einen Vorteil mehr: Wo momentan in der Regel höchstens der Händler weiß, wer die Kaffeemaschine gekauft hat, würden sie deutlich mehr Daten über ihre Kund:innen erhalten. Und daraus Rückschlüsse auf finanzielle Situation, Lebensumstände oder Nutzungsdauer ziehen können. Also: Obsoleszenz einbauen plus Zusatzdienste verkaufen plus Daten einsammeln. Klingt nach einer echten Win-win-win-Situation. Für die Industrie.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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