Kein Anschluss unter dieser Nummer

Bei der Vergabe der Impftermine in Niedersachsen brechen alle Leitungen zusammen. Das Land stellt das als zwangsläufig dar, doch in Bremen und Schleswig-Holstein läuft es viel besser. Die Kieler Landesregierung hat sich Hilfe von Profis geholt: Ticketverkäufer Eventim

Nicht nur die Impfdosen – hier auf dem Weg nach Norderney – sind rar, sondern auch die Impftermine Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Von Lotta Drügemöller

Seit gestern können auch Impftermine für jene über 80-Jährigen Nie­der­säch­s*in­nen vereinbart werden, die nicht in Pflegeheimen leben. Beziehungsweise: Seit gestern geht genau das nicht. Mit Ansage scheiterte Niedersachsen daran, eine reibungslose Vergabe der raren, verfügbaren Impftermine auf die Beine zu stellen.

Dass es nicht klappen würde, stand bereits vorher fest: Krisenstabsleiter Heiger Scholz hatte bereits am Vortag um Verständnis gebeten. Als am Donnerstagmorgen die Leitungen um 8 Uhr öffneten, brachen sie tatsächlich schnell zusammen. „Diese Nummer ist nicht vergeben“, hörte, wer gewissenhaft die korrekte 0800-998 86 65 gewählt hatte.

Nie­der­säch­s*in­nen probierten es wieder und wieder – insgesamt 700.000 Anrufe gab es in den ersten eineinhalb Stunden. Innerhalb des Tages konnte das Problem immerhin so weit gelöst werden, dass Anrufer*innen, die nicht durchkamen, nun ein Besetztzeichen hörten.

Niedersachsen verweist darauf, mit dem Problem nicht allein zu sein: „Nordrhein-Westfalen hatte exakt das gleiche Problem Anfang der Woche“, sagt Oliver Grimm, Sprecher der Gesundheitsbehörde. Das stimmt. Allerdings ist es nicht allen Ländern so ergangen: Schon seit dem 4. Januar wird in Schleswig-Holstein nicht nur in Altenheimen, sondern auch in Impfzen­tren geimpft; erste Termine wurden Ende Dezember vergeben.

Organisiert wurde die Terminvergabe dabei von dem Bremer Ticketverkäufer Eventim. „Einer der Gründe hierfür war die vorhandene Erfahrung, ein begrenztes Gut – in dem Fall Impftermine – auch unter hoher Auslastung von Anfragen vermitteln zu können“, sagte ein Sprecher der schleswig-holsteinischen Gesundheitsbehörde.

Bei rechnerisch rund 3,4 Millionen Impfterminen bis zum Sommer sei es naheliegend, „eine Software zu nutzen, die auch bei anderen Großereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft genutzt wurde“. Schwierigkeiten gab es, so der Sprecher: „Wir haben natürlich wie alle zu wenig Impfdosen für die Anfragen.“ Technisch aber habe von Anfang an alles reibungslos geklappt. Rund 27.000 Termine wurden bis dato vergeben.

Auch Niedersachsen hat für das Impfterminportal ein Privatunternehmen beauftragt. Majorel ist laut Eigenwerbung „neuer globaler Marktführer im Bereich Customer Experience Management“. Kritik an dem Dienstleister wies das Land zurück – schuld sei die Netzüberlastung gewesen. Das System selbst habe funktioniert: Neben den Anrufen habe es in den ersten beiden Stunden auch noch 5,9 Millionen Onlinezugriffe auf das Portal gegeben, das darunter nicht zusammengebrochen sei.

Probleme gab es aber auch dabei: Majorel wählte als Bestätigungsmethode SMS-Codes. Die jedoch konnten erst so spät zugesandt werden, dass sie schon nicht mehr gültig waren. Vorhersehbar wäre auch das gewesen.

Bis zum Donnerstagmittag wurden immerhin rund 4.000 Termine vergeben. Viel mehr gibt es auch nicht in näherer Zukunft, dafür steht nicht genügend Impfstoff zur Verfügung. Bis alle 80-Jährigen mit Terminen versorgt sind, kann es also noch dauern. Irgendwann folgen dann die nächsten Impfberechtigtengruppen, mit weiteren Millionen Anfragen.

Bremen hat einen anderen Weg gewählt: Einen Termin vereinbaren kann hier nur, wer dazu eine Einladung bekommen hat – im ersten Schritt nur die über 90-Jährigen, und auch die wurden nur nach und nach und nicht alle an einem Tag angeschrieben. „Wir wollten, dass alle, die sich melden, auch schnell einen Termin bekommen und nicht wochenlang warten müssen“, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitsbehörde.

„Es könnte zu einer Art Impftourismus kommen“

Marco Trips, Städte- und Gemeindebund

Die Termine werden online und über eine Bremer Telefonnummer vergeben, im Callcenter der Kampagne „Bremen impft“ sitzen unter anderem Beschäftigte aus der Hotellerie und der Veranstaltungsbranche. Bisher wurden 11.700 Termine in Bremen vergeben, in Bremerhaven weitere 4.490. Die Warteschlange beim Anrufen habe in keinem Fall länger als zwei Minuten gedauert.

Niedersachsen ist nicht Bremen. Aber es gibt auch hier kleinere Verwaltungseinheiten; die Landkreise sind zuständig für den Betrieb der Impfzentren. Und aus der zentralen Vergabe folgen weitere Probleme: „Diejenigen, die in den Leitungen durchgekommen sind, haben jetzt manchmal Termine in anderen Landkreisen zugeteilt bekommen“, sagt Marco Trips, Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. „Da könnte es also zu einer Art Impftourismus kommen.“

Wer in Niedersachsen noch einen Impftermin bekommen möchte, soll es zurzeit einfach weiter versuchen – etwa 300 Callcenter-Mitarbeiter*innen nehmen Anrufe entgegen, die Anfragen seien aber weiter hoch. Wer durchkommt, kann einen Platz auf der Warteliste bekommen.

tazzwei