Meckerei in der Pandemie: Die Zeit der Unzufriedenen

Es steht uns allen zu, uns zu beschweren. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es Menschen sind, die wir beim Meckern verantwortlich machen.

Eine weggeworfene Mund-Nasenmaske liegt in einer Pfütze auf einem Spazierweg.

Alles Dreck: Ungeliebte OP-Maske im Winter 2021 Foto: dpa / Boris Roessler

Es ist ja beinahe schwer, nicht zu meckern. Die meisten Leute sind mit den verschiedensten Dingen nicht zufrieden und das tun sie überall und ausführlich kund. Es ist anstrengend, die Unzufriedenheit anderer Leute auszuhalten, besonders, wenn man selbst auch unzufrieden ist, aber wegen ganz anderer Dinge. Die Unzufriedenheit der anderen kommt einem oft übertrieben und überflüssig vor. Leute, die mit denselben Dingen unzufrieden sind, bilden Pulks, in denen sie sich gemeinsam erregen können. Gemeinsame Unzufriedenheit bestätigt in der eigenen Ansicht und schafft so zumindest auch etwas Gutes, eine unzufriedene Verbundenheit.

So sieht die Situation im Moment aus. Die Leute, die Kinder haben, sind unzufrieden. Die Leh­re­r*in­nen und Kin­der­gärt­ne­r*in­nen sind unzufrieden. Unzufrieden sind die, die nicht mehr arbeiten dürfen. Unzufrieden sind auch die, die noch arbeiten müssen, unzufrieden sind die, die im Homeoffice arbeiten und dann aber auch die, die nicht im Homeoffice arbeiten können.

Unzufrieden sind die, die sich in ihrem Freizeitverhalten eingeschränkt fühlen und die, die darüber nur lachen können.

Unzufrieden sind die Familien und die Alleinstehenden. Unzufrieden sind die, die extrem viel arbeiten müssen, im Krankenhaus oder beim Paketlieferdienst zum Beispiel, und dann die, die kaum oder gar nichts mehr zu tun haben. Unzufrieden ist die Wirtschaft, weil die Wirtschaft es nun überhaupt nicht gewöhnt ist, dass ihnen irgendwas empfohlen wird. Die Wirtschaft ist nämlich der Ansicht, dass sie das Herz unserer Gesellschaft ist.

Unzufrieden sind die, die nicht mehr arbeiten dürfen, und die, die arbeiten müssen

Und wer weiß – vielleicht ist sie’s ja? Nico Fickinger, Chef von Nordmetall, ist sehr unzufrieden darüber, dass er seine Mit­ar­bei­te­r*in­nen nun ins Homeoffice schicken soll, unverhältnismäßig findet er das, ebenso wie die FFP2-Maskenpflicht in den Werkshallen. Uli Wachholtz, Präsident vom Unternehmensverband UV Nord, ist unzufrieden darüber, dass eine Behörde beurteilen will, wer im Homeoffice arbeiten könne. Wir Künst­le­r*in­nen schicken uns lange schon in den Umstand, dass wir nicht mehr auftreten dürfen und aus diesen Gründen reihenweise aus der Künstlersozialkasse fliegen, aber wir sind ja auch nicht die Wirtschaft.

Auch ich bin aktuell unzufrieden! Über die neue Maskenpflicht. Ich besitze viele dreilagige, sehr gut sitzende Stoffmasken, die ich nach jedem Gebrauch heiß gewaschen habe. Ich sehe es ein, FFP2-Masken schützen besser als dreilagige Stoffmasken. Aber OP-Masken? Diese dünnen Papierdinger, die der Formung eines Gesichtes nicht im mindesten angepasst sind, die rechts und links zum Ohr und neben den Nasenflügeln immer aufsperren?

Ich kann natürlich entscheiden, keine von diesen Masken zu benutzen, sondern die teureren FFP2-Masken, aber wenn ich an meine Kinder denke, die in der Krise jetzt ihre studentischen Jobs verloren haben und von sehr wenig Geld leben müssen, wenn ich an die Leute denke, die sehr wenig Geld verdienen und große Familien haben, an die Menschen, die von Hartz IV leben? Die bekommen jetzt immerhin in Hamburg einen Zuschuss von 10 Euro pro Monat. Dafür können sie sich ein Paket billiger OP-Masken kaufen, oder sie nehmen doch die Teureren und gehen ganz einfach nur noch selten aus dem Haus.

Oder – und ich denke, so wird es vielfach gehandhabt werden – sie verwenden diese billigen Papierdinger wieder und wieder. Das wäre dann aber eine Verschlechterung der Wirksamkeit gegenüber der Verwendung von viel besser sitzenden Stoffmasken, die man immerhin waschen und bügeln konnte.

Gut. Meckern ist erledigt. Das ist ja das Thema. Ich denke, es steht uns allen zu, ein bisschen zu meckern, uns zu beschweren, uns Luft zu machen. Wir sollten nur nicht vergessen, dass es Menschen sind, die uns in allen Fällen gegenüberstehen, die wir verantwortlich machen. Und Menschen wollen anständig behandelt werden, selbst, wenn sie Fehler machen, die vielleicht aus ihrer Sicht nicht wie Fehler aussehen. Wir sollten zusehen, dass wir uns nicht alle gegenseitig fertig machen. Das ist alles, was ich sagen wollte.

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ist Schrift­stellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Sicherheitszone“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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