Begnadigung Steve Bannons: Letzter böser Schachzug

Trump ist wohl Geschichte, doch sein früherer Chefstratege will „Gladiatorenschule für Kulturkämpfer“ aufziehen. In Italien. Ein gefährliches Erbe.

Steve Bannon spricht nach einer Gerichtsverhandlung mit Reportern

Begnadigt: Steve Bannon, ehemaliger Chefstratege von Donald Trump wurde wegen Betrugs angeklagt Foto: Eduardo Munoz Alvarez/ap/dpa

In letzter Minute hat Ex-Präsident Donald Trump seinen früheren Chefstrategen Steve Bannon begnadigt. So what? Trump ist weg, und Bannon, wegen Betrugs angeklagt, aber ohnehin auf Kaution frei und nur mit einem Ausreiseverbot belegt, darf also weitermachen. Ohne einen Präsidenten Trump dürfte sein Einfluss aber begrenzt sein und für Europa ohnehin nicht relevant, könnte man meinen. Doch der Eindruck täuscht: Die Begnadigung ist ein Coup mit weitreichenden Folgen – in den USA und für Europa.

Denn der Akt ist strategisch klug: Ausgerechnet in seiner düstersten Stunde, kurz vor dem Abtritt, begnadigt Trump diesen zeitweise wichtigsten Partner und extremen Populisten, mit dem er sich zwischenzeitlich tief zerstritten hat. Der Grund ist deutlich: Trump ist in der eigenen Partei seit dem Überfall auf das Kapitol angeschlagen; selbst langjährige Anhänger dürften zumindest temporär Abstand von ihm nehmen.

Sein allzu freundliches Geschenk an Bannon ist nichts anderes als eine Aufforderung, wieder aktiv zu werden: Der skrupellose Populist soll dorthin, wo er am erfolgreichsten war – zur Basis, sie soll er mobilisieren. Für Präsident Joe Bidens Ziel, die tief gespaltene Gesellschaft in den USA zu versöhnen, kann diese Entscheidung, die bedeutet, (noch) einen geifernden und vor allem bekannten Rechtspopulisten in den Medien zu finden, nur das denkbar schlechteste Signal sein.

Und es steht zu befürchten, dass Bannon nicht nur in den USA wieder aktiv wird. Er plant schon lange, seine Anhänger auch in Europa zu schulen. Mitten in Italien, kaum zwei Autostunden von Rom entfernt, hat Bannon schon vor Jahren eine uralte, bildschöne Zisterzienserklause mit Forellenteich und historischer Apotheke als Kaderschule ins Auge gefasst: das Kloster Trisulti bei Collepardo. Dort hat sich 2018 das Dignitatis Humanae Institute per Pachtvertrag eingenistet, eine Denkfabrik, die als erzkonservativ und rechtsradikal gilt. Schirmherr: Steven Bannon. Hier, im „Zentrum des Universums“, kündigte Bannon schon vor Jahren an, wolle er eine „Gladiatorenschule für Kulturkämpfer“ aufziehen.

Die Bemühungen des italienischen Kultusministeriums, den offenbar in völliger Naivität geschlossenen Pachtvertrag wieder loszuwerden, waren bislang erfolglos – gerade erst scheiterte man wieder vor Gericht. Den bisherigen Leiter des Instituts, Benjamin Harnwell, kennt bislang kaum jemand, so wenig wie das Kloster. Das könnte sich mit Bannon ändern – dann bekäme die Denk­fabrik, was sie braucht: einen international bekannten Namen. Fasst Bannon wirklich wieder Fuß, wäre Trumps letzter Schachzug erfolgreich gewesen. In den USA. Und in Europa.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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