Australiens Ex-Botschafter zu China: „Strategie basiert auf Schwäche“

Australiens Exbotschafter in China warnt vor zu viel „strategischem Misstrauen“ im Umgang mit Peking. Das sei antagonistisch – und auch unnötig.

Huawei-Messestand auf der PT Expo China in Peking, Oktober 2020

Zu schnell und zu laut: Ausschluss von Huawei für das 5G-Netz in Australien Foto: VCG/imago

taz: Herr Raby, Sie haben als Botschafter vier Jahre lang Chinas Aufstieg verfolgt. Wie wird China die Weltordnung verändern?

Geoffrey Raby: Die neue Weltordnung formiert sich nicht gerade, sondern existiert bereits! Wir haben mit China und den USA zwei Weltmächte, wobei Chinas Einflusssphäre de facto über ganz Eurasien bis nach Warschau reicht. Auch Russland hat sich im Zuge der Sanktionspolitik zunehmend nach Osten gewandt. In dieser neuen Weltordnung hat ­Australien Schwierigkeiten, seinen Platz zu finden. In den letzten Jahren hat sich das Land zunehmend mit den USA verbrüdert, was keinen Sinn macht, da wir wirtschaftlich von China abhängen und auch von der Volksrepublik nicht strategisch herausgefordert werden.

67, war 2007–2011 Australiens Botschafter in China, wo er bereits 1986–1991 stationiert war. Heute leitet er eine Consulting­firma in Peking und sitzt im Vorstand der australischen Tochterfirma von Chinas Staatsfirma Yanzhou Coal Mining.

Aber wohl kein Staat hat zuletzt wirtschaftliche Vergeltungsaktionen von China stärker zu spüren bekommen – nur, weil Premier Morrison eine Untersuchungskommission zum Ursprung des Coronavirus forderte …

Unsere bilaterale Beziehung ist derzeit stark von strategischem Misstrauen geprägt. Wenn es etwa um den Territorialstreit im Südchinesischen Meer geht oder auch beim Ausschluss von Huawei für das 5G-Netz, dann sind wir stets die Lautesten und Ersten. All das ist total antagonistisch – und auch unnötig.

Wie soll denn eine kluge China-Politik Australiens aussehen?

Bleiben wir beim Beispiel Huawei: Mir geht es nicht so sehr darum, ob man Huawei ausschließen muss oder nicht. Ich kritisiere vielmehr die Art und Weise, wie das gemacht wurde. Wir waren die Ersten, hatten die größte Klappe, haben gar öffentlich von einer „bösartigen Infiltrierung“ unseres Sicherheitsnetzes gesprochen. Wir sollten zwar klar im Umgang mit China sein und auch mit Ländern in der Region zusammenarbeiten, die ähnliche Sorgen über Chinas Verhalten haben – gleichzeitig sollten wir jedoch die Bedrohung, die von China ausgeht, nicht übertreiben.

Wie meinen Sie das?

Man kann zwar auf Chinas Führung die bösartigsten Dinge hineinprojizieren, doch sind ihre Fähigkeiten eingeschränkt – etwa durch die Verteidigung von 22.000 Kilometern Landesgrenze oder einer völligen Abhängigkeit vom Weltmarkt in Bezug auf Mineralien. Chinas Strategie basiert auf Schwäche, nicht Stärke – und einer existenziellen Unsicherheit. Ein wichtiges Element Teil von Chinas Strategie ist bis heute, den Nationalstaat zusammenzuhalten in einer Welt, die von der Staatsführung als außerordentlich bedrohlich wahrgenommen wird. Vieles von Chinas Verhalten kann man auf diesen Weg verstehen – etwa in Tibet, Xinjiang, Taiwan oder Hongkong. Chinas außenpolitische Machtdemonstrationen sind hingegen vor allem dadurch motiviert, die Welt angenehmer für die KP zu machen – indem die chinesische Diaspora im Ausland nicht zur Brutstätte der Opposition wird.

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