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: Mit spitzen Fingern zart

Gerhard Delling ist ein ARD-Sportkommentator und gilt manchen als möglicher Nachfolger von Ulrich Wickert. Am Montagabend moderierte Delling erstmals als Urlaubsvertretung von Anne Will die „Tagesthemen“. Er trug Kleidung, hatte eine Frisur, und wenn alles so läuft wie immer, dann stehen heute in anderen Zeitungen despektierliche, verschraubte Sätze über Dellings Kleidung und Frisur (oder Günter Netzer). Hier nicht.

Hier steht zunächst bloß, dass die Süddeutsche Zeitung im Januar 2001 anlässlich des „heute journal“-Debüts von Marietta Slomka notierte, dass die Debütantin „mit spitzen Fingern zart an ihrem Kugelschreiber“ drehte, und die Frankfurter Rundschau im April 2001, nach Anne Wills erster „Tagesthemen“-Moderation, schrieb, dass Will „ein paar Mal zu oft das Subjekt schlabberte“ bzw. „unbestimmte Artikel gern zu ’n’ und ’ne verkürzte“. Als wiederum Claus Kleber im Februar 2003 sein erstes „heute journal“ moderierte, hatte er am Ende, als der Abspann schon lief, mit den Fäusten eine schnelle, fast übermütige Geste gemacht, als wollte er ein imaginäres Gegenüber knuffen oder boxen, was man bei der SZ offenbar derart interessant fand, dass es dort anderntags genau so nachzulesen war: „Am Ende, als der Abspann schon lief, da machte Claus Kleber mit den Fäusten …“ etc. Immerhin: Als Thomas Kausch im August 2004 plötzlich bei Sat.1 im „News“-Studio stand, fand die FAZ, es sei „unfair, eine Sendung nach der ersten Ausstrahlung zu beurteilen, eine Nachrichtensendung zumal“.

Aber zurück zu Delling: Am Montag moderierte er, wie gesagt, erstmalig und vertretungsweise die „Tagesthemen“. Hartnäckige Interviews, wie sie Wickert und Will unlängst mit Schröder und Stoiber zu führen verstanden, gab es am Montag keine, weltbewegende Terroranschläge o. Ä., über die uns dann ein Delling – womöglich stundenlang – auf den Laufenden gehalten haben würde, fanden nicht statt. Stattdessen war’s ein ausgesprochen nachrichtenarmer Tag, an dem Gerhard Delling bekleidet, frisiert und aushilfsweise die „Tagesthemen“ moderierte. Und das ist doch in jeder Hinsicht erfreulich. CHRISTOPH SCHULTHEIS