Streit um russisches Raketenabwehrsystem: Sanfte Sanktionen für die Türkei

Der Kauf des Raketensystems S-400 sorgt seit Monaten für Spannungen zwischen den USA und der Türkei. Nun hat Washington reagiert.

Teile des Raketenabwehrsystems S-400 aus Russland werden auf Luftwaffenstützpunkt Mürted entladen

Teile des Raketenabwehrsystems S-400 werden auf Luftwaffenstützpunkt Mürted entladen Foto: Turkish Defense Ministry/dpa

ISTANBUL taz | Die USA haben Sanktionen gegen den Nato-Partner Türkei verhängt, weil die Regierung ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft hat. Die Maßnahmen richteten sich gegen die für Rüstungsfragen zuständige zivile Rüstungsbeschaffungsagentur SSB, ließ am Montag das US-Finanzministerium verlauten.

Die Türkei hat mit scheinbar großer Gelassenheit darauf reagiert. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte zwar, das sei ein „schwerer Fehler“ und man werde zu gegebener Zeit darauf reagieren. Er kündigte aber gleichzeitig an, man wolle den USA Zeit geben, den Fehler zu korrigieren.

Die Sanktionen sind das Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern, nachdem die Türkei 2017 in Russland modernste Flugabwehrsysteme des Typs S-400 gekauft hat. Die Türkei hatte sich damit gerechtfertigt, dass die Obama-Regierung sich zuvor geweigert hatte, das US-Flugabwehrsystem Patriot an die Türkei zu verkaufen.

Der scheidende US-Präsident Donald Trump hatte sich lange gegen Türkei-Sanktionen gestellt. Dass er jetzt kurz vor dem Ende seiner Amtszeit doch Sanktionen verfügt hat, hängt damit zusammen, dass er damit die vom Kongress angedrohten weit schärferen Sanktionen verhindern konnte.

Spannungen wegen Kampfbomber

Die Maßnahmen erfolgen nach dem CAATSA-Gesetz, das es der US-Administration erlaubt, solche Länder zu bestrafen, die größere Rüstungskäufe in Russland tätigen. Von zwölf möglichen Sanktionen, die CAATSA vorsieht, hat Trump nun fünf relativ geringfügige ausgewählt. Von den Sanktionen sind auch der SSB-Chef Ismail Demir und drei weitere leitende Angestellte der Behörde betroffen. Demir darf nicht mehr in die USA einreisen, seine Konten in den USA, so er welche hat, werden eingefroren. Auch bekommt die SSB keine Lizenzen mehr aus den USA, die Rüstungszusammenarbeit wird also eingeschränkt.

Die Sanktionen kamen, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Oktober ersten Tests mit dem S-400-System zugestimmt hatte. Bis dahin hatte die Türkei mit Rücksicht auf die Gespräche mit den USA die S-400 erst einmal gar nicht ausgepackt.

Erdoğan wollte damit erreichen, dass die US-Regierung den Rauswurf der Türkei aus dem Programm für die modernsten Kampfbomber F-35 zurücknehmen – eine Maßnahme, die die Türkei sehr viel mehr schmerzt als die jetzt verhängten Sanktionen. Die Türkei war am Bau dieser modernsten Bombergeneration beteiligt und hatte auch bereits mehr als eine Milliarde Dollar für den Kauf von F-35 Kampfbombern überwiesen.

Doch die US-Regierung blieb hart. Das Pentagon befürchtet, dass die Radareinrichtungen der russischen S-400 den Tarnkappenbomber F-35 enttarnen könnten, wenn sowohl die russische Flugabwehr als auch der amerikanische Bomber in der Türkei im Einsatz wären. Außerdem hatte Israel gegen den Verkauf der F-35 an die Türkei protestiert.

Trotzdem sucht die Türkei nach einem Neuanfang in den Beziehungen zu Washington. Erst vor wenigen Tagen ernannte Erdoğan einen neuen Botschafter für die USA, der als bekennender Atlantiker Brücken in die Biden-Regierung bauen soll.

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