Ende der Mehrwertsteuersenkung: Groteske Geldverschwendung

Die Senkung der Mehrwertsteuer war eine Fehlentscheidung. 20 Milliarden Euro hätte man effektiver verteilen können, um die Konjunktur anzukurbeln.

Kinder am Fenster in Zwickau

Hier wäre die Corona-Hilfe angebracht gewesen: Ein höherer Kinderbonus, um die Nachfrage zu steigern Foto: propicture/Ralph Koehler

So viel steht fest: Für den Staat war es ein schlechtes Geschäft, die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr zu senken. Zu Neujahr läuft dieses teure Experiment aus, das den Fiskus 20 Milliarden Euro gekostet hat. Die Senkung der Mehrwertsteuer war extrem ineffektiv, weil sie nach dem Prinzip Gießkanne wirkte: Es profitierten auch Firmen, die keinerlei Probleme mit ihrem Absatz hatten – zum Beispiel der Onlinehandel. Es hätte bessere Ideen gegeben, um 20 Milliarden Euro unters Volk zu bringen.

So hätte man den Kinderbonus anheben können, der sich auf nur einmal 300 Euro pro Kind belief. Es hätte die Nachfrage stark angekurbelt, wenn es zweimal 500 Euro gewesen wären, wie es das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) damals vorgeschlagen hat. Zur sinnlosen Mehrwertsteuersenkung kam es nur, weil die Autoindustrie laut nach Hilfen schrie, eine erneute Abwrackprämie, wie in der Finanzkrise 2008, diesmal aber nicht opportun erschien.

Seit den Abgas-Skandalen ist der Ruf der einstigen deutschen Vorzeigeindustrie ruiniert. Es wäre politischer Selbstmord für die Regierung gewesen, ein explizites Sonderprogramm für die Autokonzerne zu beschließen. Also wurde der indirekte Weg gewählt – und die Mehrwertsteuer gesenkt. Denn die Reduzierung um 3 Prozentpunkte fiel umso stärker ins Gewicht, je teurer der Anschaffungspreis einer Ware ist. Wenn ein Auto 40.000 Euro kostet, ließen sich im vergangenen halben Jahr rund 1.000 Euro sparen. Theoretisch.

Praktisch tat sich ein neues Problem auf: 60 Prozent aller neu zugelassenen Autos sind Dienstwagen – und da spielt es letztlich keine Rolle, wie hoch die Mehrwertsteuer ist, weil die Unternehmen dies als Vorsteuer beim Finanzamt absetzen können. Ergebnis: Die Zahl der zugelassenen Neuwagen fiel im Jahr 2020 um etwa 20 Prozent, obwohl es das üppige Geschenk bei der Mehrwertsteuer gegeben hatte.Die Regierung hat in der Corona­­-Krise vieles richtig gemacht – aber die Senkung der Mehrwertsteuer war ein Fehler.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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