Journalist von G20-Gipfel ausgeschlossen: 1.500 Euro – Polizei sagt „sorry“

Vor dreieinhalb Jahre wurde der Journalist Adil Yiğit vom G20-Gipfel ausgesperrt. Erst jetzt zahlt ihm die Hamburger Polizei eine Entschädigung.

Ein Mann steht mit verschränkten Armen in einem Raum

Der deutsch-türkische Journalist Adil Yiğit wurde vom G20-Gipfel ausgeschlossen Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Für den Journalisten Adil Yiğit geht das Jahr mit einer Genugtuung zu Ende. Die liegt in Form von 1.500 Euro auf seinem Konto und kommt vom Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer.

Das Geld soll Yiğits Verdienstausfall kompensieren, dreieinhalb Jahre nachdem ihm beim G20-Gipfel in Hamburg die Akkreditierung vom Bundespresseamt entzogen worden war. Der deutsch-türkische Journalist war am 8. Juli 2017 unter den 32 Medienvertreter*innen, denen der Zutritt zum Pressezentrum wegen plötzlich aufgetauchter Sicherheitsbedenken verwehrt wurde, obwohl sie sich zuvor ordnungsgemäß akkreditiert hatten. Yiğit arbeitet für verschiedene Medien, darunter die taz, und betreibt die regierungskritische türkische Nachrichtenseite „Avrupa Postasi“.

Die Zahlung ist der dritte und letzte Schritt, mit dem die Sicherheitsbehörden gegenüber Yiğit eingestehen, ihm Unrecht zugefügt zu haben. Bereits im Oktober 2017, drei Monate nach dem Gipfel, hatte der Journalist einen Brief vom Bundeskriminalamt (BKA) bekommen, das wohl eine Art Entschuldigung sein sollte. Das BKA schrieb darin von einem Missverständnis – Yiğit habe gar nicht auf der Liste der 32 unerwünschten Journalist*innen gestanden, sondern auf einer Liste von 82 Personen, zu denen auch Logistiker*innen, Techniker*innen und Caterer*innen für das G20-Medienzentrum gehörten.

Diese Liste sei nur durch einen Irrtum in die Hände der Einlasskontrolleur*innen gelangt, schrieb das BKA. Durch welchen Irrtum Yiğits Name aber auf die Liste geraten sein soll, ließ die Behörde offen. Für Yiğit klingt das alles reichlich unglaubwürdig – er reichte Klage beim Berliner Verwaltungsgericht ein.

Polizeichef entschuldigt sich persönlich

Zu einem Urteil kam es dort aber nicht, der Journalist und die Polizei einigten sich außergerichtlich. Yiğit bestand darauf, dass sich der Polizeipräsident persönlich bei ihm entschuldige – und bekam die Entschuldigung. „Diese Einziehung Ihres ‚Ausweises‘ war unberechtigt“, räumte Meyer im Juli 2020 ein. Und: „Da (…) ich in der Verantwortung für das Handeln der Polizei Hamburg stehe, bitte ich Sie um Entschuldigung für das unbeabsichtigte Fehlverhalten der eingesetzten Polizeibediensteten.“ In dem gleichen Schreiben stellte Meyer auch einen finanziellen Ausgleich für Yiğit in Aussicht.

„Es ging mir nie ums Geld“, sagt der Journalist gegenüber der taz. „Viel wichtiger ist mir meine journalistische Ehre.“ Auch, weil er in den vergangenen drei Jahren viel Unrecht aushalten musste. Schon im Dezember 2016 gab es Probleme mit seiner Akkreditierung beim OSZE-Gipfel in Hamburg – schließlich kam er aber doch rein. Im Februar 2018 drohte die Ausländerbehörde plötzlich, Yiğit, der seit 30 Jahren in Deutschland lebt und vier deutsche Kinder hat, abzuschieben. Nachdem mehrere Medien darüber berichteten, verlängerte die Behörde doch seine Aufenthaltserlaubnis.

Ein paar Monate später zwangen ihn Sicherheitsmitarbeiter*innen bei einer Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, den Saal zu verlassen. Der Grund war, dass Yiğit ein T-Shirt trug, auf dem er Pressefreiheit für die Türkei forderte. „Türkische Staatsmedien starteten daraufhin eine Kampagne gegen mich“, sagt Yiğit. „Sie stellten mich als einen dar, der überall rausgeschmissen wird.“ Vor allem deswegen bedeutet es ihm viel, dass wenigstens die deutschen Behörden sich nun entschuldigt haben.

Dass das von alleine nicht passiert wäre, ist dem Journalisten klar. „Rechte werden einem meistens nicht gegeben, sondern sie werden erkämpft“, sagt er. Mit seinem Erfolg will er andere Medienvertreter*innen ermutigen, es ihm gleichzutun. Im November 2019 hatte das Berliner Verwaltungsgericht den freien Journalisten Sebastian Friedrich und Rafael Heygster Recht gegeben, denen das Bundespresseamt ebenfalls zu Unrecht die Akkreditierung entzogen hatte.

Adil Yiğit, Journalist

„Rechte werden einem meistens nicht gegeben, sondern sie werden erkämpft“

Die beiden haben sich aber dagegen entschieden, eine Zivilklage auf Entschädigung ihres Verdienstausfalls anzustrengen. Es würde sich schlicht nicht lohnen: Bei den niedrigen Honoraren, die Journalist*innen bei kleineren linken Medien bekommen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zu dem, was dabei herausspringen würde.

„Der Schaden ist finanziell ohnehin nicht zu kompensieren“, sagt Rafael Heygster. Als freier Journalist sei man vor allem auf gute Kontakte und einen guten Ruf angewiesen. Der Akkreditierungsentzug hätte ihn gebrandmarkt, er fühlte sich als Angeklagter. Dass er Recht bekam, sei immerhin eine kleine Genugtuung.

Yiğit hofft, dass die Behörden aus der Sache lernen und er und seine Kolleg*innen zukünftig keine derartigen Probleme mehr haben werden. Einen Teil der 1.500 Euro will er an eine Organisation spenden, die sich für Pressefreiheit in der Türkei einsetzt.

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