die woche in berlin
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Die Fußball-Regionalligen pausieren seit Monaten und auch noch eine Weile – das ist problematisch. Die Berlinale findet statt – das ist eine gute Nachricht – und kommt diesmal in zwei Teilen daher. Und auch Gottesdienste gibt es dieses Weihnachten ja analog und digital zugleich.

Kein Fußball ist auch keine Lösung

Spielbetrieb der Regionalliga ruht. Das ist ein Problem

Ich vermisse ihn ja auch, den Fußball. Bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt in zugigen Stadien stehen, schmierölartigen Kaffee trinken, um sich irgendwie warmzuhalten, und knapp zwei Dutzend Menschen dabei zuschauen, wie sie noch das letzte Leben aus dem tiefgefrorenen Rasen trampeln. Was könnte es Schöneres geben?

Zwar starten bereits am 2. Januar die ersten zwei Ligen wieder in den Spielbetrieb und eine Woche später auch die 3. Liga, aber Fußball im Fernsehen ohne Fans auf den Rängen ist wie Glühweintrinken im Sommer. Es gibt sicher Menschen, die daran Freude haben, die meisten jedoch können wohl recht wenig damit anfangen. Wir dürfen nicht vergessen: Wenn nicht gerade eine globale Pandemie herrscht, sind solche Geisterspiele eine Strafmaßnahme. Sie uns jetzt als fast genauso gut wie Spiele vor Publikum zu präsentieren ist schon ein wenig frech.

In den semiprofessionellen Ligen von der Regionalliga abwärts gibt es jedoch nicht einmal das. Dort wird zumindest bis Ende Januar überhaupt nicht gespielt. Verlängerung nicht ausgeschlossen. Und wenn wieder gespielt wird, laufen die Spiele in der Regel auch nicht im Fernsehen. Darf dann niemand ins Stadion, können die Vereine keine Tickets verkaufen, und die Fans können den Spielen bestenfalls mithilfe von Livetickern im Internet folgen. Jede*r für sich. Zu Hause. Allein.

In normaleren Zeiten stellt der allwöchentliche Stadionbesuch für viele Menschen einen festen Dreh- und Angelpunkt in ihrem Leben dar. Die Fankurve ist für sie ein Ort, an dem sie Freund*innen und Gleichgesinnte treffen. Fußball, auch in den unteren Spielklassen, bedeutet gesellschaftliche Teilhabe, und kein Livestream der Welt kann die Bierdusche beim Torjubel ersetzen.

Noch weiter unten, in der Kreis- oder Bezirksliga, sieht das kaum anders aus. Zwar kommen hier auch sonst nur selten mehr als zwei Dutzend Zuschauer*innen, aber für diejenigen, die kommen, ist Stern Kaulsdorf oder Rotation Prenzlauer Berg genauso wichtig wie für andere vielleicht Bayern oder Hertha. Nicht zu vergessen, die Spieler*innen, die, wenn irgendwann mal wieder Amateurspiele oder wenigstens ein richtiges Mannschaftstraining möglich sein werden, Probleme haben dürften, ihre Mitspieler*innen wiederzuerkennen. Immerhin haben sie sie schon jetzt teilweise seit Monaten nicht mehr gesehen.

Die Coronapandemie trifft nicht alle gleich hart. Es macht einen Unterschied, ob du in der warmen Wohnung krank im Bett liegst oder bei Minusgraden in einem Schlafsack in irgendeinem Hauseingang. Im Fußball ist es nicht anders. Die Bundesligisten werden die Krise überleben. In der Regionalliga jedoch könnten die fehlenden Zuschauer*innen-Einnahmen einigen Vereinen tatsächlich das Genick brechen. Spendenaktionen wie aktuell bei Tennis Borussia Berlin und Lok Leipzig können helfen. Noch besser jedoch wäre ein generelles Umdenken hin zu mehr Solidarität über alle (Spiel-)Klassengrenzen hinweg. Jan Tölva

In der Kreis- oder Bezirksliga kommen sonst nur selten mehr als zwei Dutzend Zuschauer*­innen, aber für diejenigen, die kommen, ist Stern Kaulsdorf oder Rotation Prenzlauer Berg genauso wichtig wie für andere vielleicht Bayern oder Hertha

Jan Tölvaüber den seit Monaten unterbrochenen Spielbetrieb der Fußball-Regionalliga und die damit zusammenhängenden Probleme

Pandemietaug­liches Modell fürs Filmfest

Berlinale 2021 diesmal zweigeteilt: digital und normal

Eine gute Nachricht gibt es allemal: Die Berlinale soll 2021 nicht ausfallen. Damit das möglich ist, wurde ein ungewöhnlicher Kompromiss gewählt. So ist die Berlinale diesmal zweigeteilt. Im März läuft online das Programm für die Filmbranche unter anderem mit dem European Film Market und den Berlinale Talents. Damit das Geschäft dort weitergehen kann, war es nötig, für das Frühjahr eine pandemietaugliche Lösung zu finden.

Für das Berliner Publikum folgt im Juni eine „echte“ Ausgabe der Berlinale in den Kinos und Open-Air. Vieles ist noch im Fluss, doch aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es im Sommer alle Berlinale-Sektionen zu sehen, vermutlich in etwas geringerem Umfang als sonst üblich. Dafür gibt es endlich wieder Aussichten auf eine Berlinale bei gutem Wetter, ohne ständiges Gedränge drinnen und die winterlichen Begleiterscheinungen wie kollektives Husten und Niesen. Was gleich noch eine erfreuliche Nachricht ist.

Zur Zwiegespaltenheit der kommenden Berlinale gehört, dass die Jury im März exklusiv im Kino den Wettbewerb verfolgen und die Preise verleihen wird – Monate bevor das Publikum die Filme sehen kann. Man darf sich dann einerseits schon auf die im Frühjahr gekürten Preisträger freuen, das Mitfiebern während der Berlinale entfällt allerdings. Dafür werden alle Bären-Gewinner für den Sommer nach Berlin eingeladen und hoffentlich kommen können.

Die Presse wiederum soll im März ebenfalls beteiligt sein, gegenwärtig sucht das Festival nach einer Online-Lösung. In welchem Umfang das gelingt, hängt individuell für jeden Film von den Rechten ab. So bleiben eine Reihe von Fragen: Wird im März womöglich ein Goldener Bär gekürt, den die Presse gar nicht kennt? Wie lässt sich bei der Filmbranche eine Festivalstimmung online simulieren? Wie viel zeitliche Konkurrenz droht im Juni durch die Fußball-EM?

Nicht zuletzt müssen auch für die Internationalen Filmfestspiele Berlin die Daumen gedrückt bleiben, dass keine neuen Überraschungen durch Virenmutationen oder ähnliche Risiken hinzukommen. Tim Caspar Boehme

Es geht anscheinend nicht ohne

Weihnachtsgottesdienst trotz Lockdown? Abwegig, aber wahr

Das Jahr 2020 war kein leichtes für die christlichen Kirchen. Nicht, dass es vorher viel besser ausgesehen hätte – die Mitgliederzahlen sinken verlässlich –, aber angesichts einer globalen Krise wie der Pandemie fiel noch einmal deutlicher auf, wie wenig die Erlösungs-Erzählungen noch verfangen. Die Stimme der Religionen war angesichts der Zumutungen durch das Virus kaum vernehmbar. Wen wundert’s: Zwar werden KirchenvertreterInnen nicht müde zu betonen, wie ohnmächtig der Mensch vor Gott ist, aber wenn es darauf ankommt, sind es eben doch von Menschen betriebene Wissenschaft, menschliche Vernunft und menschliche Empathie, die Rettung versprechen können.

Ganz klar: Wem Beten hilft, dem sei es gegönnt. Und natürlich wirken Kirchen auch als gesellschaftliche Kräfte, die angesichts von Leid und Ängsten Halt geben können: durch praktizierte Solidarität, die gut tut, auch wenn sie kein Alleinstellungsmerkmal ist.

Aber wie vernünftig ist es, an den Feiertagen zu Präsenz-Gottesdiensten einzuladen, wenn die Infektionszahlen munter weitersteigen und der Großteil der Gesellschaft versucht, sich Kontakte zu verkneifen? Liegt da nicht der Appell auf der Hand, dieses eine Mal zu Hause eine Kerze anzuzünden und sich den Mitgläubigen rein metaphysisch verbunden zu wissen? Wer kann auf ein solche Ressource bauen, wenn nicht die Kirchen? Ihr Problem ist, dass Weihnachtsgottesdienste seit Langem ihre wichtigsten PR-Events sind: Viele kommen da doch mal wieder, weil’s so schön ist, und auf diesen Werbeeffekt verzichtet man nicht so gern.

Trotzdem hat gerade die Evangelischen Landeskirche weitgehend verstanden, dass dieses Jahr alles anders sein muss. Vieles findet virtuell oder – ganz klassisch – in Rundfunk und Fernsehen statt, und am Heiligabend um 20 Uhr sollen alle Menschen von ihren Balkonen aus „Stille Nacht, heilige Nacht“ singen. Das kann man in jedem Fall verantworten.

Die katholische Kirche wiederum schafft es nicht, einmal auf Distanz zu setzen. Zwar teilte das Erzbistum mit, man werde keine detaillierte Auflistung der Gottesdienste veröffentlichen, damit die Menschen keine langen Wege zurücklegten und Kirchen in ihrer direkten Nachbarschaft aufsuchten – auch das nicht unbedingt vorbildliches Handeln dieser Tage. In Wirklichkeit findet sich auf der Website des Bistums dann aber doch eine Liste mit rund 200 Andachten und Messen in der ganzen Stadt.

Bleibt die Frage: Was würde Jesus heute machen? Aber die beantwortet ja jeder schon immer nach seiner Fasson.

Claudius Prößer