Olympiasperre für Russland halbiert: Kampf gegen eine Hydra

Der Internationale Sportgerichtshof reduziert die Dopingsperre für Russland auf zwei Jahre. Das lässt Ankläger wie Betroffene unbefriedigt zurück.

Russisches Fähnchen vor den olympischen Ringen.

Olympia-Bann: Russlands Farben sind bis zu den Winterspielen 2022 nicht unter den Ringen zu sehen Foto: dpa/Jae C. Hong

Die einen gegen die anderen. Die anderen gegen die einen. Man kennt das aus der Vergangenheit des Kalten Kriegs und der Gegenwart der Sportmanipulation. Dieses Duell ist anscheinend zeitlos. Weil es immer für Spannung gesorgt hat, so könnte eine Erzählung lauten, und die Welt nun einmal in Gegensätzen denkt, wird es fortgeführt, als schrieben wir das Jahr 1985.

Die Russen tricksen also rum nach allen Regeln der Putin’schen Kremlkunst, und die Amis, denen die Tricks der Towarischtschi von Überläufern auf dem Silbertablett serviert wurden, stellen die Russen seit vier, fünf Jahren in den Senkel. Sie kosten den Sieg aus. Das ist verständlich, denn die Lage ist klar, der Schuldige überführt. Die Fakten, etwa aus dem McLaren-Report, sprechen für sich. Das Böse ist ein in einem Moskauer Dopinglabor ersonnenes Geschöpf, gleichsam eine Hydra, deren Köpfe immer wieder aufs Neue abgeschlagen werden müssen.

Der Gute in diesem Fall heißt Travis Tygart, seines Zeichens Geschäftsführer der US-Antidoping-Agentur Usada, und das ist gar nicht ironisch gemeint, denn hier kämpfen ja wirklich die Anhänger eines Ideals vom sauberen Sport gegen die Finsterlinge des staatlich organisierten Dopingbetrugs, Aufklärer gegen Ruchlose, Moralisten gegen Mauschler.

Wenn der Exorzismus in den Augen der Guten fehlschlägt, das heißt ein Urteil des Sportgerichtshofs Cas über Sanktionen des russischen Sports angeblich zu milde ausfällt, dann hört sich das so an: Die Entscheidung sei ein „katastrophaler Schlag für saubere Sportler, die Integrität des Sports und die Rechtsstaatlichkeit“, findet Tygart.

„Ein verwässerter Ausgang“

Der Cas hat Russland am Donnerstag für zwei Jahre vom Weltsport ausgeschlossen und damit die am 9. Dezember 2019 durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) verhängten Sanktionen halbiert. Das sei „verheerend“, schimpft Tygart: „An diesem Punkt in dieser schmutzigen, staatlich geförderten Dopingaffäre um Russland, die jetzt fast ein Jahrzehnt dauert, gibt es keinen Trost durch diesen schwachen, verwässerten Ausgang.“

Die weltweite Sportlervereinigung Global Athlete schlägt in dieselbe Kerbe, sie findet den Vorgang „lächerlich. Die Tatsache, dass russische Athleten als ‚neutrale Athleten aus Russland‘ antreten können, ist eine weitere Farce, die das System verspottet“, heißt es. Solange Sportler aus Russland noch antreten könnten, sei dies „keine Sanktion. Russland wurde nicht ausgeschlossen; es wurde einfach nur umbenannt.“

Seit fünf Jahren werden Urteile gegen Russland erwirkt. Schon bei den Spielen von Rio de Janeiro kam es zu einem „Teilausschluss“ russischer Sportler; die paralympischen Athleten aus Russland wurden 2016 ganz ausgesperrt. Bereits damals wurden die juristischen Sachverhalte von Doppel- und Kollektivstrafen diskutiert. Dürfen Sportler, die ihre Dopingsperre abgesessen haben, zusätzlich mit einem Startverbot bei Olympischen Spielen belegt werden? Inwieweit ist eine saubere Athletin aus Wladiwostok mitschuldig, wenn sie naiv dem Antidoping-System ihres Landes vertraute?

Als strafende Instanz trat zunächst das Internationale Olympische Komitee auf. Dann wurde das Regime an die internationalen Verbände delegiert. Schließlich war die Wada dran. Mittendrin im Sanktionskuddelmuddel der Cas, der die Rechte der betroffenen Athleten bisweilen stärkte. Er legte nun fest, dass es russische Teams bei den kommenden Olympischen Spielen von Tokio und Peking nicht geben wird.

Das Urteil lässt beiden Seiten, den Guten und den Bösen, Raum zur Beurteilung. Die eine Seite schäumt über die Nachsicht der Richter, die andere über Ungerechtigkeit und Strafexzess.

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