Untersuchung des Wirecard-Skandals: Null Skandal entdeckt

Der Untersuchungsausschuss zu Wirecard hat bisher wenig gebracht – von einigen interessanten Details abgesehen. Denn der Betrug bei Wirecard war dumm.

Eine unter dem Arm getragene Mappe mit dem Aufdruck Wirecard Untersuchungsausschuss.

Wenn die Kontrolleure schnarchen: Untersuchungsausschuss im Bundestag zum Betrug bei Wirecard Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Bisher war es weitgehend eine Nullnummer. Der Untersuchungsausschuss zu Wirecard geht in die Weihnachtspause, aber Sensationen hat er nicht hervorgebracht.

Zwar kamen einige Details ans Licht. So weiß man nun, dass Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg stattliche 760.000 Euro von Wirecard kassiert hat, um in politischen Kreisen zu antichambrieren. Das kann man abstoßend finden – verboten ist es nicht. Guttenberg sollte erreichen, dass die Kanzlerin 2019 auf einer Chinareise für Wirecard wirbt – was sie brav getan hat. Auch dies ist kein Skandal: Merkel fährt ständig nach China, um den deutschen Export anzukurbeln. Die Kanzlerin ist Deutschlands oberste Handelsbeauftragte.

Die Causa Guttenberg ist typisch für den Untersuchungsausschuss: Echte Versäumnisse der Regierung oder ihrer Aufsichtsbehörden konnten bisher nicht ermittelt werden.

Dies gilt auch für einen anderen vermeintlichen Skandal: Mitarbeiter der Finanzaufsicht Bafin haben mit Wirecard-Aktien spekuliert, während ab Februar 2019 in der Financial Times zu lesen war, dass der Konzern Scheingewinne in Asien verbucht. In der Tat ist es etwas seltsam, wenn Aufseher privat mit Aktien handeln – aber auch dies war damals erlaubt und ist erst jetzt verboten worden.

Faktisch war Wirecard ein Schneeballsystem, und die brechen garantiert zusammen. Es gibt lukrativere Betrugsmethoden

Für Neid gibt es übrigens keinen Anlass: Die meisten Bafin-Beschäfigten haben Verluste eingefahren, denn sie hofften bis zum Schluss, dass sich der Wirecard-Kurs erholt. Stattdessen sind die Aktien nun wertlos.

Die Finanzaufseher konnten sich nicht vorstellen, dass sie es mit einem gigantischen Betrug zu tun hatten. Dieser Mangel an Fantasie ist bedauerlich, aber zur Wahrheit gehört, dass die Bafin für Wirecard nicht richtig zuständig war.

Nur einen Knaller hat die Bafin zu verantworten: Im Februar 2019 verbot sie Leerverkäufe von Wirecard-Aktien. Börsianer konnten also nicht mehr auf einen Kursverlust spekulieren. Die Bafin glaubte nämlich, dass die Journalisten der Financial Times den Aktienmarkt „manipulieren“ wollten, als sie über Wirecards Scheingewinne berichteten. Also schob die Bafin auch noch eine Anzeige gegen die Journalisten nach.

Das war ein Fehler – aber diese Vorgänge waren öffentlich. Es braucht keinen Untersuchungsausschuss, um im Nachhinein festzustellen, dass die Bafin geschnarcht hat.

Alle haben geschnarcht

Zudem haben alle geschnarcht. Vorneweg die Wirtschaftsprüfer von EY, die zehn Jahre lang Wirecard kontrolliert haben. Auf ihre Testate haben sich Aufseher, Banken und Aktionäre verlassen. Denn nur Wirtschaftsprüfer haben einen Einblick in die Konten, und wenn sie versagen, lässt sich Betrug kaum entdecken.

Der Untersuchungsausschuss kann also nur aufbereiten, was sowieso bekannt ist: Es gab große Lücken in der Kontrolle. Ein Wunder ist das nicht. Gesetze reagieren auf Erfahrungen der Vergangenheit. Einen Betrug wie Wirecard hat es aber noch nie gegeben – weil er so dumm war.

Zwar mögen die fingierten Kontenbewegungen raffiniert wirken, aber faktisch war es ein Schneeballsystem: Wirecard war nicht profitabel und verbrannte das Geld der Banken und Aktionäre. Ständig musste man neue Kredite aufnehmen, damit der Schwindel nicht aufflog. Schneeballsysteme brechen garantiert zusammen, fragt sich nur, wann. Da gibt es lukrativere Betrugsmethoden.

Zudem sind die persönlichen Kosten sehr hoch: Wirecard-Chef Braun sitzt in Untersuchungshaft, Finanzchef Marsalek musste nach Russland fliehen. Zwar dürfte er einige Hundert Millionen Euro beiseitegeschafft haben, aber er ist jetzt beliebig erpressbar durch seine Helfershelfer.

Um ein zweites Wirecard zu verhindern, hat die Regierung am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Kompetenzen der Bafin erweitert und die Haftung der Wirtschaftsprüfer erhöht. Ob dies reicht, muss das Parlament diskutieren. Aber dafür ist der Finanzausschuss zuständig, nicht der Untersuchungsausschuss.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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