Wie einst beim alten Brecht

Der Historienfilm „Ein Dorf wehrt sich“ über den netten Sepp, der sich den bösen Nazis widersetzt, ist so didaktisch, dass ihn noch der humorloseste Studiendirektor gut fände

Der anständige Bergarbeiter Sepp (rechts) mit Kumpeln Foto: Bernd Schuller/ZDF

Von Jens Müller

Am Anfang und am Ende des Films steht je eine Texttafel. „Nach einer wahren Begebenheit“, besagt die am Anfang. Diese Begebenheit ist die bewegte Geschichte der österreichischen Gemeinde Altaussee im Nationalsozialismus.

Nicht nur waren die „arisierten“, also ihren vormals jüdischen Eignern geraubten Villen des schönen Ortes beliebte Feriendomizile verschiedener Nazigrößen. Während sich Wehrmachtsdeserteure und Widerstandskämpfer im unzugänglichen Toten Gebirge nördlich von Altaussee eine Dauerzuflucht eingerichtet hatten, war das Altausseerland zugleich Teil der als letztes Rückzugsgebiet des „Tausendjährigen Reichs“ vorgesehenen „Alpenfestung“.

Und es war der „Gauleiter und Reichsstatthalter in Oberdonau“, August Eigruber, der im April 1945 eigenmächtig acht – amerikanische – Fliegerbomben ins Salzbergwerk Altaussee transportieren ließ, um die von den Nazis dorthin geschafften, in ganz Europa zusammengeraubten Kunstschätze lieber in die Luft zu sprengen, als sie den Amerikanern zu überlassen. Die Bergleute aus Altaussee hatten ihren Anteil daran, das zu verhindern.

Diese Ereignisse sind nicht einfach nur der historische Rahmen des Films „Ein Dorf wehrt sich“, den sich Gabriela Zerhau (Buch und Regie) ausgesucht hätte, um darin eine Geschichte zu erzählen. Vielmehr will sie Geschichte anhand von Einzelschicksalen erzählen, wie schon im Mehrteiler „Tannbach – Schicksal eines Dorfes“, zu dessen Drehbuchautoren Zerhau zählte. Ihr Protagonist, der Bergmann Sepp Rottenbacher (Fritz Karl), ist ein archetypischer Antiheld: ein sturer Eigenbrötler, er will den Kopf lieber unten halten, sich mit keiner Seite gemein machen. „Feig bist einfach!“, findet die Frau (Brigitte Hobmeier) seines besten Freundes (Harald Windisch), während sein zweitbester Freund (Gerhard Liebmann) ihn noch aufzurütteln versucht: „Ich halt das nimmer aus, dein dauerndes Schulterzucken und wegducken und wegschauen. Sepp, das ist unsere Heimat! Wir leben von dem Berg, alle! Das ist das Wichtigste, was wir haben, interessiert dich das gar nicht?“

Natürlich interessiert es ihn am Ende doch, nachdem die Nazis den besten Freund hinterrücks erschossen haben, so sind schließlich die Gesetze der Filmdramaturgie. Und so ist es schließlich der Sepp, der sich vorwagt in die Höhle des Löwen, zu Ernst Kaltenbrunner (Oliver Masucci), dem letzten Chef des Reichssicherheitshauptamtes, in die Villa, um ihn zu bewegen, die von Eigruber (Philipp Hochmair) betriebene Sprengung des Bergwerks zu verhindern. Die Ausseer seien verschwiegene Leute, ihre Jäger kennten alle einsamen Hütten in den Bergen, wo nie jemand hinkomme, auch nicht die Amerikaner.

Es folgt ein Telefonat zwischen Kaltenbrunner (K.) und Eigruber (E.).

K.: „Ich bin Chef des Reichssicherheitshauptamtes! Die Bomben bleiben draußen!“

E.: „Ich bin der Reichsverteidigungskommissar! Meine Befehle gelten!“

K.: „Ich bin zuständig für die Sicherheit! Ich bin Chef der Sicherheitspolizei! Ich bin Chef des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS!“

E.: „Ich lasse Sie verhaften!“

Das Gekeife der beiden Obernazis könnte einer Parodie entstammen

K.: „Ich lasse Sie verhaften!“

E.: „Ich lasse Sie verhaften, Kaltenbrunner! Sie sind verhaftet!“

Das Gekeife der beiden Obernazis könnte einer Parodie entstammen (à la Dani Levys „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“), ist so aber bestimmt nicht gemeint. Der ganze Film ist vielmehr so gut gemeint, dass ihn noch der humorloseste Studiendirektor seinen Schülern bedenkenlos vorführen könnte. Am Ende wird es gar so didaktisch wie einst beim alten Brecht. Die Amerikaner sind da, keiner will mehr ein Nazi gewesen sein – die es eben noch waren, brüsten sich jetzt am lautesten als edle Retter der Kunstschätze. Letzter Auftritt der tapferen Witwe, Brigitte Hobmeier: „Nach einem Krieg schwimmt der Dreck immer oben auf.“ Einblendung der Texttafel am Filmende: „Gewidmet all den stillen Helden, die den gefahrvolleren Weg wählten und sich der Gewalt widersetzten.“

Gegen so ein Denkmal für die Zivilcourage ist schlecht zu argumentieren. Aber was hätte ein echter Filmkünstler aus dem Stoff gemacht, sagen wir: Oskar Roehler? Der hat zuletzt ein Biopic veröffentlicht, die letzten 15 Jahre im Leben des Rainer Werner Fassbinder. In der Hauptrolle: Oliver Masucci.

„Ein Dorf wehrt sich“, 20.15 Uhr, ZDF