Abschiebung nach rassistischem Angriff: Forderung nach Rückholaktion

Ein Afghane wird abgeschoben, obwohl er Nebenkläger im Prozess nach einer wohl rassistisch motivierten Prügelei ist. Auch ein Polizist war beteiligt.

Polizisten bringen einen Mann bei einer Abschiebung in ein Flugzeug

Abschiebungsszene in Bayern: In Berlin wurde ein Afghane erst verprügelt, dann abgeschoben Foto: dpa

BERLIN taz | Ein Prozess wegen eines mutmaßlich rassistischen Angriffs durch zwei Fußballfans und einen nicht im Dienst befindlichen Polizeibeamten wird fortgesetzt – obwohl das Opfer seit März 2020 abgeschoben ist.

Am 20. Januar und am 3. Februar 2021 sind Verhandlungstermine gegen den Polizeibeamten Stefan K. und die beiden Fans des 1. FC Union Berlin angesetzt. Der im April 2017 zusammengeschlagene Afghane ist Nebenkläger in dem Prozess (taz berichtete). Der Mann wurde abgeschoben, obwohl Opfern von Hasskriminalität in Berlin ein Bleiberecht zusteht.

Pro Asyl, der Flüchtlingsrat Berlin, ReachOut Berlin und nicht zuletzt die Anwältin des seit dem Vorfall psychisch angeschlagenen Mannes forderten nun in einer gemeinsamen Presseerklärung umgehend seine Rückholung. Der Prozess pausiert coronabedingt seit einem Jahr.

Neben den NGOs hatten auch Berliner Politiker:innen wie die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nach Bekanntwerden des Falls gefordert, dass der bei dem Überfall 27-Jährige sofort nach Berlin zurückgeholt werden müsse, um als Hauptzeuge und Nebenkläger aussagen und seine Schmerzensgeldforderung geltend machen zu können. Rechtliche Schritte dafür sind laut Anwältin mittlerweile eingeleitet, umgesetzt sind sie aber noch nicht. Zudem forderten die NGOs ein Aufenthaltsrecht für den Mann.

Der Polizist Stefan K.

Besonders brisant an dem Fall: Der Polizist Stefan K., der nach Zeugenaussagen gesagt haben soll, dass der Afghane „zurück in sein Land“ gehen solle, bevor er auf ihn einprügelte, war bis 2016 in der Ermittlungsgruppe REX tätig, die rechtsextreme Taten und Anschläge in Neukölln aufklären sollte und dabei überaus erfolglos blieb.

Opfer von damals und von der aktuellen, unaufgeklärten rechtsextremen Terrorserie kennen den Mann persönlich – er war unter anderem dafür zuständig, die Opfer rechter Gewalt zu betreuen. Laut zwei Polizistinnen, die damals am Tatort S-Bahnhof Kaulsdorf eintrafen, war K. während des Angriffs stark alkoholisiert, hat sich den Kolleg:innen als Polizist zu erkennen gegeben und gesagt, dass kein Problem vorliege – schließlich seien „keine deutschen Interessen betroffen“.

Helga Seyb,Opferberatungsstelle ReachOut

„Die Abschiebung war unrechtmäßig“

„Die Abschiebung war unrechtmäßig, nicht nur wegen des noch laufenden Strafverfahrens gegen den hauptverdächtigen Polizisten“, sagte Helga Seyb von der Opferberatungsstelle ReachOut. Der Mann sei seit dem Überfall gesundheitlich stark beeinträchtigt, körperlich und psychisch. Gerade weil ein Berliner Polizeibeamter an der Tat beteiligt gewesen sein soll, stehe Berlin jetzt auch in der Verantwortung, dass der Mann einen gesicherten Aufenthalt und eine Entschädigung bekomme.

Bleiberecht für Opfer rechte Gewalt kaum angewendet

Auch Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats in Berlin, forderte, dass der Mann als Hauptzeuge und Nebenkläger mit Schadenersatzansprüchen gehört werden müsse. Ähnlich äußerte sich auch der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt: „Rassistische Gewalttaten müssen vor Gericht gebracht und ihre Opfer angehört werden. Betroffene dürfen nicht außer Landes geschafft werden.“ Das sei nicht rechtsstaatlich.

Abgeschoben wurde der Mann, weil er offenbar unter Drogeneinfluss mehrfach im Görlitzer Park Menschen bedroht haben soll. Zudem soll er seiner Abschiebung zugestimmt haben, während er im Krankenhaus für Maßregelvollzug saß. Aufgrund entsprechender psychischer Probleme soll der Mann als schuldunfähig gelten und auch unter diesen Umständen seiner Abschiebung zugestimmt haben. Seine Anwältin stellte daher in Frage, inwiefern wirklich von Freiwilligkeit gesprochen werden könne (taz berichtete).

Tatsächlich kommt die seit 2017 bestehende Praxis, dass Opfer rechter Gewalt ein Bleiberecht bekommen, so gut wie gar nicht zur Anwendung, wie aus einer schriftlichen Anfrage der Linken vom Juni 2020 an den Senat hervorgeht. Gerade mal eine Duldung wurde auf Grundlage der Regelung erteilt; der Betroffene bekam später unabhängig davon einen Aufenthaltstitel.

Auch in den kürzlich von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus fehle eine entsprechende Regelung, kritisieren die Organisationen.

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