Wenn die Katze im Staubsauger steckt

So ein Uni-Kurs am Rechner, das ist keine leichte Sache

Von Ilka Kreutzträger

Es dauert eine kleine Weile, ehe mir klar wird: Mist, die sind eingefroren. Wie lange habe ich vor mich hin doziert, ohne zu merken, dass ich nicht mehr online bin? Wenn ich den Studierenden in der Bremer taz-Redaktion gegenüber sitze, wo mein dreitägiger Schreib-Workshop sonst stattfindet, merke ich ja sofort, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt und kann was unternehmen. Kann eine Pause einlegen oder sie für eine Reportageübung vor die Tür schicken oder so.

Stattdessen nervt mein blödes Internet, das in Form des Routers bei meiner Nachbarin oben steht. Mit Zoom, wie es die Bremer Uni im vergangenen Semester – im ersten Lockdown, als das alles noch neu war – noch nutzte, hat mein sonst total okayes Internet ein Pro­blem. Weiß nicht, wieso. Nervt aber.

Irgendwann hatte ich raus, wann die einfach nur stillsitzen und wann sie eingefroren waren. Und zum Glück waren die Studentinnen (es waren, wie so oft, ausschließlich Frauen im Seminar) nicht allzu schlimm genervt. Ich hatte gleich zu Beginn einen Seminarplan verschickt. Länger als zwei Stunden dauerten die einzelnen Zoom-Blöcke ohnehin nicht, die Aufgaben waren klar, Themen und zu lesende Texte und die Pausen auch – vielleicht waren sie auch deswegen geduldig mit mir.

Ich fühlte mich trotzdem irgendwann ein bisschen wie meine Lehrer*innen früher, die mit diesem neumodischen Krams (Kopierer, Videorecorder, Overheadprojektor!) nicht zurechtkamen und immer einen Thomas, Lars oder Malte holten, der das Gerät anschalten musste. Blödes Gefühl, denn ich bin eigentlich nicht sooooo hinterm Mond, und hier war niemand, der ein Gerät anschalten konnte.

Ich ertappte mich bei dem Gedanken, die abgebrochene Verbindung einfach nicht wieder aufzubauen und stattdessen nach nebenan in mein Bett zu gehen und mich da in Ruhe alt zu fühlen. Mir macht die Arbeit mit den Studierenden eigentlich Spaß, wir gehen in dem Seminar viel raus, in die Fußgängerzone, an die Weser, zu Tagen der offenen Türen in Krankenhäusern oder auf Messen – überall hin, wo es was zu sehen und zu erzählen gibt. Schwierig im Lockdown, schwierig per Video, so richtig Hilfe von der Uni gab es nicht. Aber gut, die gibt es auch sonst nicht, und das ist schon in Ordnung für mich und mein Miniseminar. Und ich könnte mich sicher durch die Angebote der Uni für Lehrkräfte wühlen und Hilfreiches finden.

Plötzlich: Internet weg. Aus die Maus. Die Router-Nachbarin und ihr Mann sind im Urlaub (Wieso das? Lockdown? Keine Ahnung, jedenfalls waren sie nicht da und ich musste mich um die Katze kümmern.) Ich also Schlappen an und nach oben. Aus der Wohnung dringt sanftes Brummen. Das da nicht rausdringen sollte! Ich sah die Katze vor mir, wie sie im Staubsauger feststeckt, ich sah mich meine Freundin anrufen, du, ähm, die Mieze, der Staubsauger, ich weiß auch nicht. Und wieder dachte ich, ach, ich gehe einfach ins Bett.

Stattdessen rein in die Wohnung. Keine Katze im Staubsauger, aber die algerische Schwägerin meiner Freundin am Staubsauger! Router aus der Steckdose, Staubsauger in der Steckdose. Dann ist das Internet weg, verstehe. Wir verstehen uns hingegen nur mittel, ich spreche kein Arabisch, sie spricht schon Deutsch, aber nicht so gut, dass sie mich in meinem Stress richtig gut versteht. Also nur schnell was von „Auf keinen Fall diesen Stecker von diesem Gerät rausziehen!!“ gesagt/gezeigt und runter. Die Studentinnen haben auf mich gewartet und unterhalten sich gerade über ihren Studieralltag zu Hause – mit schreienden Nachbarn, Familienbesuch während des Seminars und die Uni, die ihnen fehlt, das beiläufige Kaffeetrinken, Gespräche am Rande der Vorlesung, so was eben.

Ich würde sagen, letztlich haben wir das beste aus der Situation gemacht. Wir haben recht rege Texte geschrieben, gelesen und diskutiert. Und das Gute am digitalen Unterricht ist, so formulierte es eine der Studentinnen, dass man auf vertrautem Terrain bleibt. Man sitzt zwischen seinen Sachen und akklimatisiert sich so vielleicht schneller im Kurs. Keine fremde Redaktion, keine neuen Leute direkt vor der Nase. Auf die fremden Leute vor der Nase freue ich mich aber schon ein bisschen, irgendwann dann mal wieder.

Ilka Kreutzträger, 43, arbeitet für die taz und den NDR und unterrichtet an der Uni Bremen „Lebendig und verständlich schreiben“.