„Keine 100 Prozent“

Ab jetzt nur noch Notbetreuung: Planung ist wichtig, sagt Corinna Balkow vom Landeselternausschuss

Corinna Balkowist Vorsitzende des Landeselternausschusses Berliner Kindertagesstätten.

taz: Frau Balkow, haben Sie Ihr Kind am Dienstag in die Kita gebracht?

Corinna Balkow: Nein. Wir haben die Kinder schon länger zu Hause. Wir haben die Möglichkeit, Homeoffice zu machen. Und dann war unsere Überlegung, dass wir die Kita und das Personal entlasten und denen, die die Betreuung dringender gebraucht haben, nicht im Weg stehen wollten.

Die viel zitierte Eigenverantwortung der Eltern also: Jede/r soll überlegen, ob das Kind wirklich in die Kita muss. Glauben Sie, dass das klappt?

Das klappt ganz unterschiedlich – je nachdem, wie gut die Kitas in den letzten Wochen kommuniziert haben. Manche haben schon im Herbst prophylaktisch die Bedarfe bei Eltern abgefragt: Was wäre, wenn wir nur Notbetreuung anbieten können – aus welchen Gründen auch immer. Diese Kitas haben jetzt schon ein ganz gutes Bild darüber, welche Bedarfe es gibt und was sie mit dem Personal zu leisten imstande sind. In anderen Kitas rennen die Eltern den Kitaleitungen jetzt die Bürotür ein, weil nichts klar ist – obwohl die Situation absehbar war.

Die Nachricht, dass auch die Kitas vom harten Lockdown betroffen sind, kam am Sonntag eher überraschend.

Ja, die Linie war: Die Kitas bleiben im regulären Betrieb. Aber ich würde sagen, wer der Kanzlerin aufmerksam zugehört hat und die Entscheidungen verfolgt hat, der konnte im November schon ahnen: Es wird noch ein harter Winter. Deswegen haben wir im Landeselternausschuss ja auch gemeinsam mit den Kita-Trägern und der Senatsverwaltung bereits an einem Stufenplan für die Kitas gearbeitet, mit dem man ähnlich wie mit dem Stufenplan für die Schulen in den Einrichtungen möglichst koordiniert auf das Infektionsgeschehen reagieren kann.

Jetzt ist erst mal Notbetrieb bis mindestens zum 10. Januar. Anders als im ersten Lockdown sollen die Kitas nicht mehr anhand einer Liste von systemrelevanten Berufen entschieden werden, wer Betreuungsanspruch hat, sondern das individuell mit den Eltern klären. Geht das gut?

Eine Liste wäre sicher einfacher, aber sie wird sehr vielen Situationen in den Familien nicht gerecht. Es ist doch gut, wenn jemand die Möglichkeit hat, sein Kind noch mal einen Tag in die Kita zu bringen, weil er oder sie Not hat – und zugleich braucht jemand, der formal einen Anspruch nach so einer Liste hätte, den Platz vielleicht nicht und kann sich anders organisieren. Ich denke, dass jetzt auf Gespräche statt starrer Vorgaben gesetzt wird, ist sinnvoll.

Die Eltern sollen also Verantwortung übernehmen – aber werden sie damit nicht auch ganz schön allein gelassen?

Natürlich sind Politik und Arbeitgeber in der Verantwortung. Im Landeselternausschuss Kita werben wir schon seit dem ersten Lockdown dafür, dass Eltern ein erweitertes Recht auf Freistellung für die Kinderbetreuung und bezahlten Urlaub haben. Die Eltern brauchen den Spielraum, um ihrer Verantwortung nachkommen zu können. Es braucht eine arbeirsrechtliche Absicherung.

Das Infektionsschutzgesetz sieht bereits eine Kompensation von 67 Prozent des Gehalts bei Verdienstausfällen etwa durch Kinderbetreuung vor. Aber das gilt nur, wenn die Kitas und Schulen wirklich geschlossen sind – das sind sie nicht, es herrscht Notbetrieb.

Genau. Deshalb wäre die Erhöhung des Kindergelds auf 1.000 Euro deutlich sinnvoller. Das sind Hilfen, die ankommen.

Will man nicht auf die Politik warten, was brauchen Eltern jetzt von ihren Arbeitgebern?

Wer Betriebsferien machen kann, sollte das tun. Das erleichtert auch die kinderlosen Kollegen, die sonst womöglich die Arbeit von anderen mitmachen. Und man sollte von seinen Angestellten keine 100 Prozent Leistung erwarten. Im Homeoffice mit Kindern kann man nicht die volle Arbeitsleistung bringen. Da finde ich 60 Prozent optimistisch.

Ein Blick in die Glaskugel: Machen die Kitas am 10. 1. wieder auf und wenn ja, wie?

Die Abfrage der Elternbedarfe ist jetzt wichtig. Viele können eine Einschränkung der Betreuungs- und der Arbeitszeit verkraften, wenn sie planen können und wenn es Kompensationen seitens des Staats gibt.

Vorausschauende Planung und Solidarität ist das Gebot für den Januar?

So kann man es sehen.

Interview: Anna Klöpper