Shopping, Impfung und Rundfunkbeitrag: Hans oder Gase?

Während die Briten schon impfen und Fragezeichen um das Weihnachtsfest kreisen stellt sich die Frage: Wer sind wir, wenn wir nicht konsumieren?

Margaret Keenan wird geimpft

In Großbritannien wurde Margaret Keenan mit 90 Jahren als erste Person gegen Covid-19 geimpft Foto: Jacob King/ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Rufe nach „mehr Autorität“.

Und was wird besser in dieser?

Gemoser über „mehr Autorität“

Der Bundestag hat den Haushalt für 2021 bewilligt. Mit knapp 180 Milliarden neuen Schulden. Geschockt? Oder finden Sie, Schulden kann man gar nicht genug haben?

Die Haushalte 20 und 21 betragen inzwischen drei „normale“ Bundeshaushalte. Einer der drei besteht komplett aus Schulden. Wahljahr-Goodies wie mehr Kindergeld, Wegfall des Soli und höhere Freibeträge zieht die Groko trotzdem durch. Das alles soll in Raten bis 2042 zurückgezahlt werden. Dann bin ich 81 und bedanke mich jährlich bei den jungen Menschen, denen Jahr für Jahr alles Mögliche verweigert wird mit dem Generalbass der Zukunft: „Ja, aber die Coronaraten“. Wenn es gut läuft. Oder ihr seid pleite und ich bin tot.

Bund und Länder haben sich auf die Verschärfung der Coronamaßnahmen verständigt. Wollen wir Weihnachten einfach auf Ostern verschieben? Und gibt es dann eigentlich Gans oder Hase?

Habe eine Viertelstunde über „Hans oder Gase“ nachgedacht und mir dann eine neue Brille gewünscht. Egal! Konkludent haben Merkel & die MPs für heute und morgen einen Shopping-Infarkt beschlossen, ab dann regieren die Online­kaufhäuser und „wir wollten uns doch schon immer mal nichts schenken“. Um fair zu sein: Die Pandemie hat Ramadan ruiniert, schreddert gerade Chanukka – „an den Abenden versammeln sich die Familien mit Freunden zu ausgelassenen Festen“. Da können wir die üblichen Weihnachtsausschreitungen mit in den Hut werfen. Und begegnen einer ­interessanten Frage: Wer sind wir, wenn wir nicht konsumieren?

Großbritannien hat schon mit dem Impfen begonnen. Als erste Patientin nahm man eine 90-Jährige namens Margaret Keenan. Warum nicht die Queen?

Machen Sie mal die Arme frei. Nicht die Reiche. Impfsehnende würden das als Privileg beneiden; Impfskeptiker als Meinungsmache. Elisabeth und Philipp zählen zur Alters-Hochrisikogruppe und wollen „die Öffentlichkeit informieren“, wenn’s bei ihnen gepiekst hat. Johnsons wurschtige Coronapolitik hat die Pandemie böse wüten lassen, nun kommt der Anschlussfehler: überhasteter Impfstart. Mit dem heiklen Tiefkühlmittel. Käme ohne Brexit auch, die Briten hatten bereits 2012 geregelt, bei der Verbreitung von Krankheitserregern ausscheren zu können.

Die Hoffnung auf den Impfstoff sorgt bei der Lufthansa übrigens bereits für viele Buchungen für Ostern und den Sommer. Kein gutes Vorzeichen für die CO2-Emissionen, die zuletzt stark zurückgegangen sind, oder?

Weltweit genügte der CO2-Rückgang, um 2020 zum Jahr des eingehaltenen Klimaziels zu machen. Hat jemand Lust auf Corona bis 2030? Dann würde das Pariser Ankommen erfüllt. Bis dahin: Auch bei weitgehend geerdetem Flugverkehr erlebte Deutschland im dritten Quartal 2020 ein Wachstum von 8,5 Prozent. Für hart an Bonusmeilen erkrankte Business-Gockel böten sich Stehflüge an. Einfach zwei Stündchen am BER im Flieger sitzen und dann zurück mit der S-Bahn in die Stadt.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet nun die selbsternannten „Querdenker“. Und dann? Beschatten und aus dem Hinterhalt zwangsimpfen?

Das ist Peitsche. Zuckerbrot wären Demos für die Rückkehr zum Parlamentarismus. Da müsste sogar die FDP mitmarschieren. Wenn Christian Lindner auf einer Demo spräche, sagten viele dann: „Ach, dann geh ich lieber zu den Nazis“? Gute Frage an die sehr ehrenwerten „besorgten Bürger“ dort.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hat verhindert, dass der Rundfunkbeitrag wie geplant ab Januar um 86 Cent erhöht wird. Die Sender wollen jetzt klagen, in der Politik herrscht Entsetzen, weil damit der Wille der AfD geschieht. Für wen war die ganze Aktion eigentlich gut?

Chefkampagnero Tom Buhrow sieht „vorläufig einen Sieg der Verantwortungsverweigerer“. „Guten Abend, das Wetter“ klingt flüssiger; gemeint sind AfD und Union. Interessant, wie es dem ZDF gelingt, sich in dem Gemetzel komplett wegzuducken. Noch interessanter, dass die ARD den ganzen Frust abbekommt – ausgerechnet die Anstalt, die die Bundesländer medial künstlich beatmet. Doch auch die meisten Verlagshäuser agitieren stramm Anti-ÖR, weil sie dem Fiebertraum anhängen, irgendjemand würde eine Zeitung abonnieren, wenn bei ARD und ZDF ein paar Symphonieorchester ausfiedelten. Klamme Hoffnung: ÖR-Bashing riecht künftig ein bisschen nach AfD-Vandalismus. Noch klammer: Reformer in ARD und ZDF bekommen Aufwind.

Ikea will ab dem Jahr 2022 seinen gedruckten Katalog einstellen. Künftig soll der nur noch digital erscheinen. Den Otto-Katalog haben wir schon vor zwei Jahren betrauert. Worin sollen wir denn noch blättern?

Wollt ihr euch gefälligst mal freuen? Ich sehe da eine Monopolstellung auf die taz zukommen.

Und was machen die Borussen?

1:5 zu Hause gegen Aufsteiger Stuttgart. Die einen sagen: Ohne die Fans sind wir nichts. Die andern: Mit dem Trainer auch nicht.

Fragen: degi, pwe

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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