Gegenprotest bei AfD-Parteitag in Kalkar: Draußen vor dem Brüter

Trotz Corona und Kälte hat ein breites Bündnis gegen den Bundesparteitag der AfD in Kalkar demonstriert. Mit dabei: Abgeordnete von CDU und FDP.

Hunderte Demonstrantinnen und Demonstrantinnen sind auf der Straße, um gegen die rechte AfD zu demonstrieren

Hunderte Demonstrant*innen und Politiker*innen sind nach Kalkar zu Protesten gegen die AfD gekommen Foto: Marcel Kusch/dpa

KALKAR taz | „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, „Solidarität statt Hetze“ und „AfD-Politiker essen heimlich Döner“ steht auf den Transparenten der Demonstrant:innen, die in Kalkar gegen den Bundesparteitag der selbsternannten „Alternative für Deutschland“ demonstrieren. Der Tagungsort der Rechten im zum Freizeitpark umgebauten Atomkraftwerk namens „Schneller Brüter“ ist nur wenige hundert Meter entfernt. Wie bei den Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk in den 70er und 80er Jahren haben am Samstag hunderte Demonstrant:innen gegen die rechte Partei protestiert.

Hunderte Polizist:innen und Dutzende Polizeitransporter bilden einen Riegel zwischen Parteitag und Protest, der breit gefächert ist. Dem Aufruf des erst 21-jährigen Anmelders Jannik Berbalk vom lokalen Ableger der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ sind nicht nur Antifaschist:innen, Linke, Sozialdemokrat:innen, Grüne und Gewerkschafter:innen gefolgt – auf der Bühne sprechen auch Bundestagsabgeordnete von CDU und FDP.

Flagge gegen die AfD zeigen damit Vertreter:innen aller anderen im Bundestag vertretenen Fraktionen: Der Schock über die von den Rechten eingeschleusten Corona-Leugner:innen, die bei der Debatte um das Infektionsschutzgesetz Abgeordnete und deren Mitarbeiter:innen am 18. November im Parlament bedrohten, sitzt tief.

„Toxisch“ wie das atomwaffenfähige Plutonium, das im nie in Betrieb gegangenen „Schnellen Brüter“ produziert werden sollte, sei die AfD, warnt Ex-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. „Rassistisch und antidemokratisch“ nennt die aus dem an Kalkar angrenzenden Kleve stammende Sozialdemokratin die Partei. Hendricks macht den Demonstrant:innen Mut: Die Zivilgesellschaft habe nicht nur das Atomkraftwerk ins Abseits geschoben – sie werde auch Regierungsbeteiligungen der Rechten verhindern: „Die sind toxisch, aber deren Halbwertszeit ist nicht lang“, ruft die Ex-Ministerin unter Applaus.

Widerlich und menschenverachtend

Als „widerlich“ und „menschenverachtend“ beschreibt auch die Grüne Ulle Schauws die AfD – und als frauenfeindlich. Das „rechte Pack“ wolle „Frauen ins Abseits drängen“, sie dazu bringen, möglichst viele biodeutsche Kinder zu gebären, warnt die frauenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion aus dem rheinischen Krefeld.

Denn der Renten-Leitantrag, der hinter dem immer noch stehenden massiven Betonzaun des „Schnellen Brüters“ verhandelt wird, ist ein merkwürdiger Formelkompromiss: zwischen dem vom neo-konservativen AfD-Parteichef Jörg Meuthen gewünschten Ausstieg aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Forderung des „sozialnationalen“ einstigen Flügels um den Thüringer Landesparteichef Björn Höcke, genau diese zu stärken. Klar ist aber: Gerettet werden soll die Altersvorsorge zuallererst durch eine Steigerung der Geburtenrate: Sonst schrumpfe das „Volk um ca. 30 Prozent pro Generation“, warnen die Rechten in bester Nazi-Diktion.

Schockiert von der Bedrohung durch AfD-Sympathisant:innen im Bundestag zeigen sich auch Parlamentarier:innen von CDU und FDP. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, verspricht der niederrheinische Christdemokrat Stefan Rouenhoff. Mit der Hetze gegen „Muslime, Juden, Minderheiten“ müsse Schluss sein. Und für die FDP fordert deren Bundesparlamentarier Bernd Reuther: „Steht auf, werdet laut, demonstriert.“

Allerdings: Gerade antifaschistische Organisationen nehmen den Bürgerlichen den Antifaschismus häufig nicht ab; schließlich will nicht nur CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer Geflüchtete wieder ins Bürgerkriegsland Syrien abschieben. „Halt die Fresse“, schallt es Rouenhoff und Reuther deshalb aus dem Schwarzen Block entgegen.

Gewalttätiger wurde die Demo aber nicht: „Über den Tag verteilt haben rund 1.000 Demokrat:innen hier gegen die AfD demonstriert“, sagt Anmelder Jannik Berbalk zufrieden. Um zu verhindern, dass der Protest trotz Einhaltung aller Hygieneregeln zum Corona-Hotspot werden könnte, hatten etwa Gewerkschaften wie die IG Metall oder Verdi auf eine breite Mobilisierung verzichtet.

„Sonst hätten es auch mehrere zehntausend Protestierende wie beim AfD-Bundesparteitag 2019 in Braunschweig werden können“, sagt Irmgard Wurdack, Geschäftsführerin des bundesweiten Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“. Für die AfD unübersehbar war die Kritik dennoch: Schon am Freitagabend hatten rund 300 Demonstrant:innen den anreisenden Parteitagsdelegierten einen lautstarken „unfreundlichen Empfang“ in Kalkar bereitet.

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