Eintagsfliege Moorburg

Hamburgs Kohlekraftwerk geht nach sechs Jahren vom Netz

Es ist ein Beispiel dafür, wie radikal sich die energiepolitische Landschaft im vergangenen Jahrzehnt gewandelt hat. Das Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg, eines der modernsten der Republik, wird im kommenden Jahr abgeschaltet. Allein der Bau hat mit sieben Jahren länger gedauert als der sechs Jahre währende Betrieb.

Am Dienstag hat der Konzern beim Unterbietungswettbewerb für die Abschaltung von Kohlekraftwerkskapazitäten den Zuschlag von der Bundesnetzagentur bekommen. Auch ein Bremer Kraftwerksblock darf vom Netz genommen werden – es sei denn, die vier Übertragungsnetzbetreiber erheben Einspruch.

Drei Milliarden Euro, dazu Tausende Tonnen Stahl und Beton hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall in den Elbsand gesetzt. Dabei hatte der damalige CDU-Senat den Konzern 2005 dazu animiert, das Kraftwerk doppelt so groß zu bauen wie geplant. Hamburg hat große Stromfresser: ein Aluminium-, ein Stahlwerk und eine Kupferhütte. Mit Hilfe Moorburgs konnte die Stadt ihren Strombedarf ocker selbst decken.

Doch Vattenfall machte seine Rechnung ohne die Klimadebatte und ohne den Widerstand in der Großstadt. Schon die seit 2008 mitregierenden Grünen hätten das Projekt am liebsten gekillt, mussten aber schließlich doch die Erlaubnis erteilen, Kühlwasser aus der Elbe zu ziehen. Der Umweltverband BUND klagte dagegen und setzte durch, dass das Kraftwerk, um die Elbfische zu schonen, ganzjährig mit einem Kühlturm betrieben werden musste. Schon das machte das Kraftwerk weniger rentabel.

Dazu kam, dass es mit der geplanten Fernwärmeauskoppelung nichts wurde. Als ruchbar wurde, dass die Fernwärmeleitung unter der Elbe und mitten durch einen Park im Stadtteil Altona verlaufen sollte, formierte sich Widerstand, gebündelt in der Bürgerinitiative „Moorburg­trasse Stoppen“. Anfang 2010 verhinderten Baumbesetzer erste Rodungen.

Das Aus für das Kraftwerk entlastet Hamburgs CO2-Bilanz auf der Erzeugerseite kräftig. Aus Sicht des Klimaschutzes kommt es jetzt darauf an, dass auch der Strom, den Hamburgs Verbraucher beziehen, CO2-ärmer wird. Gernot Knödler