Massenproteste in Belarus: Katz und Maus mit Wasserwerfern

Mit einer neuen Protestform haben erneut Tausende in Belarus gegen Machthaber Lukaschenko demonstriert. Geholfen haben Hinterhöfe.

Eine Frau in höherem alter hält eine belarussische Flagge in der Hand.

Demonstrantin am Sonntag in Minsk Foto: reuters

KIEW taz | Erneut haben am Sonntag in Minsk und anderen belarussischen Städten zehntausende Menschen für die Freilassung von politischen Gefangenen, für einen Rücktritt von Präsident Alexander Lukaschenko und für eine Neuwahl demonstriert.

„Diesmal war es nicht wie angekündigt und auch nicht wie letzten Sonntag“, berichtet die Minsker Aktivistin Alla Kondratiewa gegenüber der taz am Telefon. „Wir hatten eine Kundgebung im Zentrum angekündigt, wo sie schon auf uns gewartet hatten, mit Wasserwerfern und dem Üblichen.“

Doch was dann kam, hätten die Sicherheitskräfte nicht erwartet, hilflos hätten sie reagiert: Die Demonstrierenden hätten sich diesmal in den Hinterhöfen ihrer Hochhäuser in zunächst kleinen Gruppen versammelt, berichtet Kondratiewa. Dort warteten sie, bis keine Polizei mehr zu sehen war. Erst dann seien die Gruppen auf die Straßen gegangen.

„Wir haben Kolonnen gebildet, sind dann aber nicht Richtung Zentrum gegangen, sondern durch die Straßen gezogen“, berichtet die Aktivistin. Kaum sei eine Polizeieinheit aufgetaucht, seien die Demonstrierenden in Hinterhöfe verschwunden und an anderer Stelle wieder aufgetaucht. „Die Wasserwerfer wussten gar nicht, wo sie sich positionieren sollten.“

Videos zeigen Gewalt gegen Demonstrierende

Zwar sei es aufgrund der dezentralen Aktionsform nicht gelungen, Bilder mit einer großen Menschenmasse zu zeigen, sagt Kondratiewa. Dafür habe man aber die Zahl der Festnahmen niedrig halten können. Insgesamt seien in Minsk zwischen 30.000 und 40.000 Menschen auf den Straßen gewesen, schätzt die Aktivistin.

Auch in anderen Städten gingen am Sonntag erneut Tausende gegen Lukaschenko auf die Straße. Am Nachmittag berichtete das Menschenrechtszentrum Wjasna von 118 Festnahmen in Minsk, Borowljanij, Pinsk und Saslawl. Zahlreiche Videos, die im Telegram-Kanal Nexta veröffentlicht wurden, zeigten, dass die Polizei auch an diesem Sonntag wieder mit Gewalt gegen Demonstrierende vorging.

Am Freitag hatten 5.000 Menschen in Minsk an der Bestattung von Roman Bondarenko teilgenommen und seinen Sarg von der orthodoxen Kirche zum Friedhof begleitet. Bondarenko war am 11. November festgenommen worden. Nach schweren Misshandlungen durch die Polizei erlag er am 12. November seinen Verletzungen.

Journalistin festgenommen

Die Staatsanwaltschaft hat in dem Fall inzwischen ein Strafverfahren gegen einen Arzt eingeleitet, der die Ergebnisse einer medizinischen Untersuchung Bondarenkos an eine Journalistin des Portals tut.by weitergegeben hatte. Der Arzt habe damit seine ärztliche Schweigepflicht verletzt. Katerina Borisewitsch, die Journalistin, wurde am Donnerstag festgenommen.

Alexander Lukaschenko hatte in einem Interview behauptet, Bondarenko sei zum Zeitpunkt seiner Verhaftung betrunken gewesen. Das medizinische Dokument indes beweist das Gegenteil: Zum Zeitpunkt seiner Festnahme hatte Bondarenko 0,0 Promille im Blut.

Unterdessen sollen in Hrodno in den kommenden Tagen die Prozesse gegen streikende Gewerkschafter losgehen, die am 26. Oktober von der Sonderpolizei OMON festgenommen worden waren. Dies berichtete die Gewerkschaftsaktivistin Lizaveta Merliak von der Belarussischen Unabhängigen Gewerkschaft gegenüber der taz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.