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Jahrzehntelanges Kämpfen um mehr Chancengerechtigkeit und Veränderung des Schulsystems brachte wenig Fortschritt, es ist eine Schande.
Es gibt mehr Lehrer, als die Bürger da draußen glauben, die all ihre Kräfte (und eigenen Gelder) dafür einsetzen, dass nicht schon in der Primarstufe der Zug abfährt. Dabei werden sie von Politik und Vorgesetzten allein gelassen. Und mit jedem Folgejahr sinken die Aussichten für etliche Kinder natürlich. Und damit ist nicht nur das Abitur (oder der Numerus Clausus) gemeint. Es fehlt nicht nur das Geld. Es fehlen auch ideelle und kognitive Unterstützungsmöglichkeiten vonseiten der Eltern sowie die „Seilschaften“. Die einen bekommen von ihren Eltern eine kleine Eigentumswohnung und Beziehungen, die anderen bekommen kaum noch Wohnraum dafür aber Probleme mit der Regelstudienzeit wegen der notwendigen Nebenjobs (und u.U. einen Schuldenberg durch Bafög oder Studienkredit). Und die Arroganz der „Kopfarbeiter“ gegenüber den „Handarbeitern“ hält sich ebenfalls hartnäckig am Leben.
Habe in den 90ern mit Bafög studiert als erste meiner Familie. Dabei kam nach jeder Änderung der Gesetzt dasselbe heraus: laut Pressemeldungen mehr Geld für die Studierenden. Real war das immer und ausnahmslos mit einer geringeren Auszahlung für mich verbunden.
Komisch! Trump war damals hier noch gar nicht bekannt...
Ich habe über die Jahre viele Menschen kennen gelernt und betreut, die in unterschiedlichen Städten BAFöG beantragt haben.
In keinem einzigen Fall hat es nicht mindestens eine Korrespondenz hin- und her gegeben, die nicht durch die Behörde selbst zu verantworten gewesen ist.
In allen Fällen wurden Ablehnungsbescheide ausgestellt, nur einer hat im Widerspruchsverfahren Bestand gehabt.
Mein Fazit: Entweder sitzen dort Menschen, die es für Ihre Aufgabe halten, Geld zu sparen oder aus anderen Gesinnungsgründen, über die ich lieber nicht weiter nachdenke, zu verweigern, oder es ist dort so wenig Arbeit, dass die sich eine eigene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ausgedacht haben.
In jedem Fall ist es hahnebüchen.
@Tripler Tobias Das beruht auf einem Minderwertigkeitsgefühl in der Bevölkerung.
Studenten, Doktoren und Professoren werden oft gehasst, weil sie sich vom Normalo unterscheiden.
"Ihr denkt, ihr seid was Besseres!"
Junge Leute muss man fördern, ansonsten nagen die Alten bald am Hungertuch!
@Tripler Tobias Diese Erfahrungen gibt es nicht nur bei Bafög.
Immer, wenn Menschen ein gesetzliches Anrecht auf staatliche Hilfsgelder haben (oft Mittel aus "Versicherungen", in die zwangsweise über viele Jahre eingezahlt wurde), machen sich die entsprechenden Bearbeiter einen Sport daraus, wer die meisten falschen Ablehnungen durch kriegt. Amtsärzte übrigens oft auch.
"...Akademiker:innen eingeschrieben als von Nichtakademiker:innen – genau wie auch schon vor zehn Jahren."
Das ist natürlich Teil des Problems.
Wer vor 40, 30, oder 20 Jahren als erster der Familie studiert hat, gilt heute als Akademiker und damit gelten deren Kinder automatisch als priviligiert.
Stetig weiter steigende Studierendenzahlen zeigen, dass immer mehr Leute dabei sind sich zu priviligieren.
Bei den Dissertationen, siehe Griffey, wird darüber diskutiert, ob die Promotionen nicht ausufern.
Erst wenn der Letzte seiner Gerneration Akademiker ist, kommen die Brötchen nur noch aus dem Automaten.
Lohnt sich nicht
Studieren lohnt sich sowieso nicht:
Handwerker werden gesucht!
@Hartz Da ist durchaus was dran. Ich und viele andere sind von Schröder & Co. betrogen worden. Deshalb, nie wieder SPD.
Jeder junge Mensch sollte sich möglichst auch ein zweites Standbein aufbauen. Das wird sehr oft gebraucht und wenn`s die Ausbildung als Tauchlehrer oder Surfer ist.
@Hartz Ein erfreulich präziser und mit dem Inhalt und Kontext des Artikels im Zusammenhang stehender Beitrag. Herzlichen Dank.
@Tripler Tobias Überakademisierung
So mancher Handwerker verdient mehr Geld als ein Durchschnittsakademiker. Das ist nun mal eine Tatsache, die nicht ignoriert werden kann.
Die hohen Zeiten des Studiums sind vorbei!
Die Studiengänge dauern lange, kosten viel Geld und sind überfüllt. Deutschalnd leidet unter einer Überakademisierung. Es müssen mehr praktische Arbeiten geleistet werden, die nachgefragt sind und gebraucht werden.
@Hartz Wie kommen Sie zu dieser Annahme? Ist das bloß ihre Meinung oder gibt es richtige Argumente?
@Hartz Hinzukommend gibt es viele Handwerksberufe, wo man mit seinen erworbenen Fähigkeiten äußerst kreativ tätig sein kann.
Aber: Viele studieren eben auch, um einen bestimmten Lebensstil in der Großstadt mitzuerleben, und den kann man selbst als Handwerksazubi in der Großstadt nicht so mitnehmen:D
@FancyBeard Lese ich da eine Anklage oder Missgunst?
Es steht jedem frei, den Weg eines Studiums einzuschlagen. Manchmal mit Umwegen, z.B. 2. Bildungsweg.
Für mich und für viele andere war die Studienzeit die schönste meines Lebens. Das war aber auch mit harter Arbeit und vielen Prüfungen verbunden und letztlich viele tausend Euro Schulden.
@Tripler Tobias Endlich mal ein Lob.
Danke.
Wer für Tesla arbeiten soll, aber stattdessen krank zu Hause ist, bekommt schon mal unangemeldet Besuch von den Chefs. Wundert das noch irgendwen?
Studieren während Corona: Armes Bafög, arme Studierende
Für bedürftige Studierende will Bildungsministerin Karliczek weitere Nothilfen zahlen. Das zeigt, wie schlimm es um das Bafög bestellt ist.
Hat am Freitag die Nothilfen für Studierende verlängert: Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) Foto: Michael Kappeler/dpa
BERLIN taz | Für gut 122.000 Studierende dürfte das vergangene Wochenende das entspannteste seit Ende September gewesen sein. Damals lief für sie die viermonatige Überbrückungshilfe aus, die das Bildungsministerium wegen der Coronapandemie an bedürftige Studierende zahlte.
Am Freitag nun versprach die zuständige CDU-Ministerin Anja Karliczek, die Zahlungen nach der Pause im Oktober fortzuführen. Heißt: Ab sofort können Studierende, die zur Zeit nicht jobben können, bis zu 500 Euro im Monat bekommen, und das bis zum Ende des Wintersemesters. Das ist eine gute Nachricht – und eine schlechte.
Gut ist, dass viele der geschätzt zwei Millionen Studierenden mit Nebenjobs – von denen viele während der Pandemie flöten gegangen sind – nun etwas leichter über den Winter kommen. Auch wenn klar ist, dass ein Zuschüsschen über 500 Euro (oder weniger) in vielen Studienorten gerade mal für die Miete reicht: Die Nothilfe ist besser als nichts. Zumal die Bildungsministerin die bürokratischen Hürden für den Antrag gesenkt hat und mehr Studierende als bisher die Überbrückungshilfe erhalten dürften.
Schlecht ist jedoch, was die Notwendigkeit der Nothilfe über eine bildungspolitische Errungenschaft verrät, die kommendes Jahr 50 Jahre alt wird und offentsichtlich zur Bedeutungslosigkeit verkommt: das Bafög. Aktuell beziehen gerade mal 11 Prozent der Studierenden in Deutschland Bafög. Ein historischer Tiefstand.
26 Novellen, sinkende Zahlen
Zur Erinnerung: Kurz nach seiner Einführung im Oktober 1971 waren es 44 Prozent. Seither ist der Anteil der Bafög-Empfänger:innen stetig gesunken, trotz regelmäßiger Prüfungen und zahlreicher (26!) Novellierungen, die sicherstellen sollten, dass das Bafög zum Leben reicht und es seinen eigentlichen Zweck erfüllt: die Chancengleichheit im Bildungssystem zu erhöhen und Absolvent:innen aus einkommensschwachen Familien zum Studium zu motivieren.
Leider muss man feststellen: Das Bafög reicht weder zum Leben, noch steigert es die soziale Durchmischung an den Unis. Auch heute noch sind drei mal so viele Kinder von Akademiker:innen eingeschrieben als von Nichtakademiker:innen – genau wie auch schon vor zehn Jahren. Und das, obwohl die Zahl der Studierenden im gleichen Zeitraum stark gestiegen ist.
Natürlich wäre es falsch, die soziale Schieflage an den Hochschulen allein dem Bafög anzulasten. Eine zentrale Rolle spielt das Schulsystem, das – aller Mahnungen seit dem Pisa-Schock zum Trotz – immer noch zu viele Kinder von Nichtakademiker:innen lange vor der Hochschulreife aussiebt.
Dennoch: Selbst bei denen, die es bis zum Abi schaffen, ist die Angst vor der Verschuldungsfalle Bafög deutlich höher als beim Rest, zuletzt mehr als doppelt so hoch. Das belegen die Sozialerhebungen, die das Deutsche Studentenwerk alle zwei Jahre durchführt.
Keine Trendumkehr in Sicht
Doch dieses Alarmzeichen stößt beim – seit 2013 von der CDU geführten – Bundesbildungsministerium offenbar auf taube Ohren. Mit Blick auf die Schuldenangst hieß es in der Vergangenheit lapidar, die Bafög-Schulden seien ja auf 10.000 Euro gedeckelt. Viel arroganter kann man den Sorgen mittelloser Menschen kaum begegnen.
Auch wenn Anja Karliczek in der jüngsten Novelle 2019 die Rückzahlung für verschuldete Bafögempfänger:innen etwas günstiger gestaltet hat: Die Korrektur ist – wie auch die Erhöhungen der Beitragssätze oder der Freibeträge – kosmetisch.
Die „Trendumkehr“ beim Bafög, die sich die Große Koalition zum Ziel gesetzt hat, wird so nicht eintreten. Im Gegenteil: Bafög-Zahlen aus Berlin und Bremen belegen, dass die Talfahrt selbst nach der Reform ungebremst weitergeht.
Wenn sich das ändern soll, muss die Bundesregierug (diese oder die nächste) endlich handeln. An Möglichkeiten mangelt es jedenfalls nicht. Sie könnte das Bafög zurück in einen Vollzuschuss umwandeln (als der das Bafög ursprünglich konzipiert und bis 1982 ausbezahlt wurde) und damit die Angst vor einem Schuldenberg nach dem Studium beseitigen.
Gute Ideen, schlechte Aussichten
Sie könnte das Bafög elternunabhängig vergeben und damit den Anteil derer, die Bafög überhaupt bekommen dürfen, vervielfachen. Und sie könnte die Beitragssätze dynamisieren und damit sicherstellen, dass das Bafög mit den galoppierenden Lebenshaltungskosten in den Universitätsstädten mithalten kann.
All das ist von und unter der aktuellen Regierung nicht zu erwarten. Und von einer nächsten sehr wahrscheinlich auch nicht. Das wird kein schöner runder Geburtstag.
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Schwerpunkt Coronavirus
Kommentar von
Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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