Göttinger Friedenspreis für Äbtissin: Mutter Mechthild ist Mutter Courage

Eine Äbtissin, die Menschen Kirchenasyl gewährt und der deshalb eine Gefängnisstrafe droht, erhält zusammen mit Seebrücke den Göttinger Friedenspreis.

Portrait der Äbtissin Mechthild Thürmer im Ordensgewand

Die Äbtissin Mechthild Thürmer wird angeklagt, weil sie sich wie eine Christin verhält Foto: Dominik Baur

AUGSBURG taz | Nein, natürlich würde die bescheidene oberfränkische Benediktinerin so was von sich weisen. Mutter Courage? Oder vielleicht besser noch: Mutter Zivilcourage? Was für andere besonders mutig erscheint, ist für Mutter Mechthild eine Selbstverständlichkeit. Oder ein Akt der Nächstenliebe. Was sich für etwas altmodische Christen wie sie ja noch nicht einmal ausschließt. „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“, heißt es schließlich bei Matthäus. Deshalb nimmt die Äbtissin von Maria Frieden in Kirchschletten auch regelmäßig Flüchtlinge bei sich im Kloster auf, gewährt ihnen Kirchenasyl. Über 30 waren es in den vergangenen Jahren.

Doch die Staatsanwaltschaft stellt Matthäus 25,35 die eigene Lektüre gegenüber: „Verdacht der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in drei Fällen gemäß §§ 95 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB“. Auf Deutsch: Äbtissin Mechthild Thürmer muss vor Gericht. Von einer „empfindlichen Freiheitsstrafe“ ist sogar die Rede.

Zuerst hatte man es ja noch mit einem Strafbefehl versucht: 2500 Euro sollte die Klosterchefin zahlen, weil sie eine Eritreerin vor der Abschiebung bewahrte. Und gut wäre es gewesen. Aber auf den Einschüchterungsversuch ließ sie sich nicht ein. Notfalls gehe sie lieber ins Gefängnis, als dafür Strafe zu zahlen, dass sie jemandem in Not geholfen habe, sagt sie. Für diese Zivilcourage erhält die 62-Jährige nun den Göttinger Friedenspreis 2021.

Thürmer teilt sich den Preis mit der Bewegung „Seebrücke“, die die Kampagne „Sichere Häfen“ ins Leben gerufen hat. „Die Preisträger“, so die Jury, „werden ausgezeichnet für ihr Engagement für sichere Fluchtwege und eine gesicherte Aufnahme von Menschen, die versuchen,aus lebensbedrohlichen Gewaltsituationen nach Deutschland und in andere europäische Staaten zu gelangen und dort Aufnahme und Schutz zu finden.“

Preisverleihung im März

Die Bewegung „Seebrücke“ gründete sich Ende Juni 2018. Damals musste das Seenotrettungsschiff „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord tagelang im Mittelmeer auf hoher See ausharren, weil es in keinem europäischen Hafen anlegen konnte. Die Seebrücke engagiert sich gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung und initiierte die Kampagne „Sichere Häfen“. Ihr haben sich mittlerweile 169 deutsche Städte angeschlossen und die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge angeboten.

Der Preis soll, so Corona es erlaubt, am 6. März 2021 im Deutschen Theater Göttingen verliehen werden – mit einem prominenten Laudator: dem ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP).

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