Tatorte der Normierung: Schulen müssen noch lernen

Gerade in der Schule müssten Trans*Personen einen Schutzraum finden für ihr Outing. Das Gegenteil ist oft der Fall.

Zeichnung: Ein Baby krabbelt über geöffnete Schubladen mit den Initialen der Worte Männlich, Weiblich und Divers

Hauptsache eine Schublade Foto: Imke Staats

BREMEN taz | Wie haben Sie eigentlich damals Ihrer Klassenlehrerin oder Ihrem Klassenlehrer bewiesen, dass Sie ein Junge sind oder ein Mädchen? Ach, wie, das mussten Sie gar nicht? So eine Frage hätten Sie für unangemessen gehalten und übergriffig? Sie hätten sich beschwert bei Ihren Eltern über die Lehrkraft?

Trans*Personen, die früh merken: Ihnen ist bei der Geburt ein falsches Geschlecht zugewiesen worden, passiert das offenbar oft. Und zwar nicht nur an evangelikalen Privatschulen, auf deren, mit Verlaub, durchgeknallte theozentrische Weltsicht und bibeltreue Biologie ja niemand gezwungen ist, sich einzulassen: Dass der Staat sie einfach unkontrolliert gewähren lässt, wie am Beispiel des Falls Max und der Freien Evangelischen Bekenntnisschule Bremen zu sehen, ist schlimm genug. Aber es kann nicht überraschen.

Denn auch an den staatlichen Schulen missbrauchen weltliche Lehrkräfte ihre Stellung, indem sie nicht nur auf einer Geschlechtszuweisung beharren – sondern sich noch dazu, wo sie strittig ist, anmaßen, über sie zu entscheiden. Sie wirken, ungestraft, wahrscheinlich ohne jede böse Absicht, mit beharrlicher Ignoranz und amtlicher Repression: Das passiert auch heute noch, selbst in einem so weltoffenen, im guten Sinne liberalen und toleranten Gemeinwesen, wie es Bremen ja nicht nur sein will, sondern doch auch weitgehend wirklich ist.

Nötige Fortbildung

Hier bedarf es dringend der Fortbildung und Sensibilisierung von Lehrkräften. Denn es ist unangemessen, wenn diese meinen, darüber bestimmen zu sollen, wer Mädchen ist, wer Junge, wer divers. Das müssen die Kinder heute selbst tun; keine ganz leichte Aufgabe. Aber sie bekommen das hin.

„Und was ist mit dem Sportunterricht und den Umkleidekabinen??!!!“: Da blinkt dann schnell ein Einwand auf. Der ist genau besehen kein Argument, auch wenn er ein reales, aber architektonisch lösbares Problem beschreibt. Genau genommen ist dieser Einwand eher ein Beweis: Dafür, dass die Schulen noch immer Tatorte der Hetero-Normierung sind.

Stattdessen sollten sie, gerade auch für Zweifel an geschlechtlicher Identität, die in vielen Familien nicht auf Verständnis stoßen, Schutzräume sein. Es liegt an den Lehrkräften, sie dazu zu machen: zu einer Schule für eine Gesellschaft, in der Diversität kein Makel ist. Sondern Normalität.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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