Ein rotes Tuch namens Schulschließungen

Viel war von der Bund-Länder-Runde nicht zu erwarten. Ein Vorstoß des Bundes zur Halbierung von Schulklassen rief aber die Länder auf den Plan

Von Jasmin Kalarickal
und Daniel Godeck

Schon aus der Schulzeit weiß man: Nicht das Halbjahreszeugnis ist entscheidend, sondern das am Ende des Schuljahres. Entsprechend gering waren die Erwartungen im Vorfeld der Bund-Länder-Gespräche am Montagnachmittag. Schließlich ging es auch bei Kanzlerin und Länderchefs lediglich um eine Zwischenbilanz des seit zwei Wochen geltenden Teillockdowns. Ob die strengen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zur Halbzeit wirklich schon wirken? Niemand weiß es.

Gleichwohl kursierte bereits am Morgen eine Beschlussvorlage der Bundesregierung, die es in sich hatte. In dem der taz vorliegenden zehnseitigen Dokument war unter anderem eine Maskenpflicht für alle Lehrkräfte und Schüler:innen aller Jahrgänge vorgesehen. Diese sollte im Klassenraum und auf dem Schulgelände gelten. Zudem sollten Schüler:innen ausnahmslos in festen Gruppen arbeiten und die Klassengröße halbiert oder der Unterricht in größere Räume verlegt werden. Wie genau Klassen auf die Hälfte schrumpfen sollen, stand allerdings nicht darin. Immerhin gibt es zwischen Bund und Ländern den Minimalkonsens, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten.

Dabei zeichnete sich bereits am Wochenende ab, dass weitere Maßnahmen im Schulbetrieb extrem umstritten sind. Ohnehin ist Schulpolitik Ländersache – der Widerstand einiger Länder gegen die Pläne der Bundesregierung war also erwartbar groß. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sprach von einem unabgestimmten Vorstoß, der mit Blick auf Kinder sowie Schulen „unverhältnismäßig“ sei. Das Vorgehen des Kanzleramts führe zu „Verunsicherung anstatt zur gemeinsamen Orientierung für die Bevölkerung“, erklärte sie.

Der stellvertretende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp (FDP), kritisierte die Bundesregierung besonders deutlich. „Wo kommen die doppelten Lehrerinnen und Lehrer für diesen Vorschlag her? Wie weit weg ist das Bundeskanzleramt von unseren Kindern und Familien?“, schrieb er auf Twitter zum Vorschlag, die Klassen zu halbieren.

Die Kritik am nicht abgestimmten Vorgehen war dann so groß, dass es am Mittag eine neue Fassung der Beschlussvorlage gab. Neue und einheitliche Auflagen für Schulen sollen demnach vorerst nicht beschlossen werden. Stattdessen sollen die Länder bis zur kommenden Woche einen Vorschlag vorlegen, wie Ansteckungsrisiken im Schulbereich weiter reduziert werden können. Auch in anderen Bereichen waren keine großen Beschlüsse zu erwarten.

Entsprechend zurückhaltend zeigten sich die Ministerpräsidenten im Vorfeld. „Wir tun uns eher einen Gefallen damit, wenn wir insgesamt mit einem geschlossenen, überzeugenden Konzept für Weihnachten, für Neujahr, für den ganzen Dezember aufwarten“, sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). Das sei besser, als „scheibchenweise vorzugehen“. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach sich ebenfalls gegen große Entscheidungen am Montag aus.

Einzelne Maßnahmen der ursprünglichen Beschlussfassung blieben aber im Raum: Etwa weitergehende Beschränkungen von Kontakten und Privatfeiern sowie vergünstigte FFP2-Masken für Alte, Kranke oder Personen mit Vorerkrankungen. Bis Redaktionsschluss am Montagabend dauerten die Gespräche an. Wie es mit der Gastronomie und den Kultur- und Freizeiteinrichtungen weitergeht, soll ohnehin erst am 23. November entschieden werden.