Grüne Hochschulpolitik in Hamburg: Eine kleine Studiengebühr

Wissenschaftssentorin Fegebank will Unis erlauben, Geld für Eingangstests zu nehmen. Die Grünen-Basis protestiert, da Bildung kostenfrei bleiben soll.

Student beatmet eine Menschenpuppe

Der Traum vieler Schulabgänger*innen: im Medizinstudium zu lernen, wie man Leben rettet Foto: Britta Pedersen/dpa

HAMBURG taz | Führt ausgerechnet die grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank in Hamburg wieder Studiengebühren ein? Diesen Vorwurf erhebt die studentische Gruppe Campus Grün. Zwischen 35 und 100 Euro könne ein Eingangstest für das Medizinstudium künftig kosten. „Für uns ist das sehr schwierig. Unsere Position ist, es sollen Gebühren abgeschafft werden“, sagt Campus-Grün-Sprecher Armin Günther.

Darum geht es: Wer bisher ein sehr gutes Abitur hatte, das aber nicht gut genug für ein Medizinstudium war, konnte mit einem kostenlosen Test seine Chancen auf einen Studienplatz verbessern. Seit diesem Jahr ist das anders. Am sogenannten „Ham-Nat“, dem Hamburger Naturwissenschaftstest, kann nun jeder Interessierte teilnehmen. Das ist Teil der Änderungen in Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2017. Darin forderten die Karlsruher Richter unter anderem, dass alle Studienanwärter Zugang zu so einem Test haben müssen.

Fegebank nahm dieses Urteil zum Anlass, um eine Anpassung des hiesigen Hochschulgesetzes vorzunehmen. Etwas versteckt in der „Drucksache 22/1502“, die Verschiedenes regelt, befindet sich die Neufassung des Paragrafen 6b. Dort steht nun: Hochschulen dürften „im Rahmen der Hochschulzulassung aufgrund von Satzungen Gebühren erheben“. Und dazu zählten „insbesondere Studieneignungstest und Aufnahmeprüfungen“. In der Begründung heißt es, es handele sich dabei um eine „redaktionelle Klarstellung“.

Allerdings ist die Sache etwas heikel, weil erst am 20. Juni der Akademische Senat der Uni Hamburg, zu dem auch die Medizinische Fakultät gehört, eine neue Satzung für Studieneingangstests verabschiedete. Darin heißt es: „Der Test ist gebührenfrei.“ Diese wurde vom Uni-Präsidium genehmigt.

Studiengebühren in Hamburg haben eine Geschichte. 2004 kassierte der CDU-FDP-Schill-Senat 500 Euro pro Semester von Langzeitstudierenden ein.

2007 folgten allgemeine Studiengebühren von 500 Euro für alle. Es entstand eine Boykott-Bewegung.

Unter Schwarz-Grün wurde daraus ein reduzierter Betrag von 375 Euro als nachgelagerte Gebühr, die Studierende zahlen sollten, wenn sie brutto im Jahr 30.000 Euro verdienen.

Seit 2011 regiert die SPD. Zum Wintersemester 2012/2013 fielen die Gebühren weg.

Fegebank fand allerdings einen Weg, um diesen Beschluss zu ignorieren: Ihr „Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften zu Studieneingangstests und deren Finanzierung“ besteht aus zwei Artikeln. Im zweiten soll nun das sogenannte Gesetz zur Uniklink ­Eppendorf (UKE-Gesetz) verändert und dem Dekan der Medizinischen Fakultät das Recht übertragen werden, Gebühren festzulegen. Sprich: Dann hätte die Uni das nicht mehr zu regeln.

In der Sitzung des Wissenschaftsausschusses vom 10. November kam die Sache zur Sprache. Ein Wortprotokoll gibt es nicht, aber die Gruppe Campus Grün zitiert in ihrer Pressemitteilung aus der Sitzung. Unter anderem hätten Vertreter der Wissenschaftsbehörde gesagt, die Gebühren seien nötig, weil durch den erweiterten Zugang zu den Tests mit höheren Anmeldezahlen zu rechnen sei.

Das sei keine „redaktionelle Richtigstellung“, sondern eine „handfeste haushaltspolitische Richtungsentscheidung“, schreibt Campus-Grün. Mit dem Drucksachen-Antrag würde Rot-Grün „eine neue finanzielle Hürde ins Hamburger Bildungssystem einziehen“. Ein Medizinstudium würde „als Privileg für finanziell besser gestellte zementiert“, kritisiert Studentin Nadja Abd El Hafez.

Nicht nur der Nachwuchs, auch Abgeordnete reagierten ungehalten. Zu sagen, solche Gebühren wären okay, ginge „an der Lebensrealität vieler Studis vorbei“, twitterte die Grünen-Abgeordnete Ivy May Müller. Und ihre Fraktionskollegin, die wissenschaftspolitische Sprecherin Miriam Block, twitterte: „Im Koalitionsvertrag steht kostenfreie Bildung. Das bedeutet aus meiner Sicht auch keine Gebühren im Rahmen von Hochschulzulassung. Das werde ich im Übrigen im Ausschuss auch gleich sagen.“

Die Sache erregt auch bundesweit Aufmerksamkeit, haben die Grünen kostenfreie Bildung doch gerade erst ins Programm aufgenommen. „Erst hat man Gebühren nach und nach abgeschafft, jetzt führt man sie nach und nach wieder ein“, sorgt sich Paul Klär vom Freien Zusammenschluss der Student*innenschaften (FZS) in Berlin, der rund 800.000 Studierende vertritt.

Zwar gebe es bereits einen privat zu finanzierenden „Test für medizinische Studiengänge“ (TMS), den Bewerber an 18 verschiedenen Hochschulen für sich zur Chancenverbesserung nutzen könnten, doch dass in Hamburg eine Hochschule für ihren Test eigene Gebühren nehme, sei bundesweit einmalig. „Gerade in Medizin bewirbt man sich nie nur an einer Uni“, sagt Klär. Da kämen Kosten zusammen. Denn auch An- und Abfahrt, Kost und Logie gingen ins Portemonnaie.

Die Hamburger Wissenschaftsbehörde argumentiert nun, die Organisation der Tests sei durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts „deutlich aufwendiger“ geworden. Ihr Sprecher Jon Mendrala erklärt, eine Gebühr könne immer dort erhoben werden, „wo auf Veranlassung einer einzelnen Person eine staatliche Dienstleistung vorgenommen werde: wie zum Beispiel auch bei Eheschließung, Ausweiserstellung, Bauantrag, Einleitung von Abwasser etc.“. Der Begriff Studiengebühr sei falsch.

Wann die Gebühr fällig wird, steht laut Mendrala derzeit noch nicht fest. Als Höhe stünden 35 Euro im Raum, durch die Coronapandemie könnte sie „aber noch etwas teurer werden“.

Das Gesetz wird voraussichtlich am 16. Dezember in der Bürgerschaft verabschiedet. Nach taz-Information soll es zuvor noch eine Stellungnahme des Akademischen Senats der Uni an die Fachpolitischen Sprecher der Parteien geben. Es sei nicht in Ordnung, gar nicht gefragt worden zu sein.

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