Sexparty in Brüssel: Orbáns heuchlerischer Vollstrecker

Ausgerechnet ein Vertrauter von Ungarns homofeindlichen Premier Orbán wurde bei einer schwulen Sexparty erwischt. József Szájerer ist zurückgetreten.

Jozsef Szajer während er eine Rede hält

Jozsef Szajer hat sein Amt aufgegeben, da er mit Drogen bei einer illegalen Party erwischt wurde Foto: Bernadett Szabo/reuters

WIEN taz | József Szájer hat sich einen Ruf als sittenstrenger Mann erarbeitet. Der 59-jährige Jurist hat die Verfassungsreformen, die Ungarn in den letzten zehn Jahren in einen zunehmend autoritären Staat verwandelt haben, in großen Teilen mitformuliert. Zuletzt wurde ein Passus verankert, der es Homosexuellen verbietet, Kinder zu adoptieren. Im Schulunterricht soll das Thema Homosexualität vermieden werden.

Ausgerechnet dieser József Szájer, einer der engsten Vertrauten von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán, ließ sich jetzt bei einer schwulen Sexparty erwischen. Der Club Le Detour in der Brüsseler Steenstraat ist ein bekannter Schwulentreff. Im Obergeschoss des Hauses nackte Männer vorzufinden, wäre also für die belgische Polizei keine Überraschung. Ihr Erscheinen in der Nacht auf Samstag ist nur den strengen Corona-Auflagen geschuldet. Im belgischen Lockdown sind Feiern jeder Art untersagt. Jede Person darf nur einen „Knuffelcontact“ haben.

Nach Angaben der Polizei haben 25 Personen, „vorwiegend Männer“, geknuffelt. Mehrere Diplomaten aus nicht genannten Nationen sollen dabei gewesen sein. Szájer wollte sich nach Angaben belgischer Medien über die Regenrinne aus dem Staub machen, wurde aber rechtzeitig aufgehalten und muss jetzt außer einem Bußgeld von 250 Euro wegen des Lockdown-Verstoßes mit einer Anzeige wegen Drogenbesitzes rechnen. Der Delegationsleiter der Fidesz-Fraktion im Europaparlament kann sich aber nicht erklären, wie die Extasy-Pillen in seinen Rucksack gekommen sind.

Der 1961 in Sopron (Ödenburg) geborene Szájer ist einer der wichtigsten Wegbegleiter von Premier Viktor Orbán. 1988 war er mit diesem an der Gründung der nationalkonservativen Partei Fidesz beteiligt, die damals noch liberalen Charakter hatte und eine tragende Rolle beim Regimewechsel spielte. Seine Lehrtätigkeit an der Loránd-Eötvös-Universität in Budapest, wo er Politik und Rechte studiert hatte, gab er nach der Wende auf und zog 1990 ins ungarische Parlament ein.

Zunächst fungierte er dort als stellvertretender, von 1994 bis 2002 dann als Chef der Fidesz-Fraktion. Sein Wechsel auf den wohldotierten Abgeordnetenposten im EU-Parlament in Brüssel und Straßburg sei, so munkelt man in Budapest, seinen homoerotischen Eskapaden zuzuschreiben, die so gar nicht ins Weltbild der von Orbán vorgegebenen homophoben Leitkultur passen.

Nach außen führte Szájer eine unauffällige Ehe, der 1987 Tochter Fanni entsprang. Ehefrau Tünde Handó ist ebenfalls Juristin und gehört seit einem Jahr dem Verfassungsgericht an. Davor stand sie sieben Jahre dem ungarischen Landesgerichtsamt vor. Als dessen Präsidentin konnte sie im Alleingang über jede Richter-Ernennung in Ungarn bestimmen und über die Zuweisung von Fällen an die jeweiligen Gerichte auch politischen Einfluss auf Verfahren ausüben. Diese Position gehört zu den Schlüsselfunktionen, die Orbán mit politisch besonders zuverlässigen Personen besetzt.

Szájer hatte am Sonntag seinen Rücktritt für den 31. Dezember angekündigt und diese Entscheidung mit „immer größerer seelischer Belastung“ begründet. Als die Sexorgie publik wurde, reichte er auf Twitter eine Entschuldigung „bei meiner Familie, meinen Kollegen und meinen Wählern“ nach. Der Fehltritt sei „strikt persönlicher Natur“, man möge die Verantwortung nicht auf sein Heimatland und seine politische Gruppierung ausweiten.

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