Das politische Lenkungsinstrument

DEMOKRATIE Eine Ausstellung im Alliierten Museum setzt sich mit der Sportpolitik in Berlin während der Besatzungszeit auseinander – und verweist auf die Doppelfunktion, die der Sport zu erfüllen hatte

Durch Sport sollten die Moral und der Patriotismus befördert werden

VON ANDREAS RESCH

Eine der ersten Amtshandlungen des sowjetischen Stadtkommandanten Bersarin war es, im April 1945 – der Zweite Weltkrieg war noch nicht vorüber –, sämtliche Sportvereine in Berlin aufzulösen. Die Anordnung war Resultat eines generellen NSDAP-Verbots, in dessen Folge alle Subgruppierungen der Partei, zu denen eben auch die Sportvereine zählten, abgeschafft wurden. In der „Direktive 23“ beschloss der Alliierte Kontrollrat dann im Dezember 1945 die „Beschränkung und Entmilitarisierung des Sportwesens in Deutschland“.

Die Gründe für dieses Vorgehen lagen vor allem in den Erfahrungen aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, wo es versäumt worden war, paramilitärische Strukturen auf sämtlichen Ebenen der Gesellschaft konsequent zu zerschlagen. Während Sportvereine in den Westsektoren bald wieder zugelassen wurden – allerdings erst nach Prüfung ihrer Gründungsmitglieder auf eine mögliche NS-Vergangenheit hin –, sollten sie in der sowjetischen Besatzungszone dauerhaft verboten bleiben.

Die hochinteressante Ausstellung „Fair Play. Die Alliierten und der Sport“ beschäftigt sich mit der Sportpolitik der Alliierten während der Besatzungszeit. Zu sehen ist sie – Überraschung! – im Alliierten Museum. Gezeigt werden zum einen zahlreiche historische Exponate wie Pokale, alte Kricket-, Hockey- und Baseballschläger, Trikots, Zeitungsartikel oder Plakate. Zum anderen kann man sich über Video- und Audiostationen einen Eindruck von der Atmosphäre bei Sport-Events verschaffen, die von den Alliierten durchgeführten wurden: Fußball- und Footballspiele, Leichtathletikwettkämpfe oder die bis heute stattfindenden Seifenkistenrennen auf dem Mehringdamm.

Optisch aufgewertet wird die Ausstellung von rätselhaft verlaufenden bunten Linien auf dem Boden, wie man sie aus den Multifunktionssporthallen der eigenen Schulzeit kennt, und durch eine Schattenspiel-Installation, die eine Cheerleaderin bei der Arbeit zeigt. An einem Tischfußballtisch kann man sich, ganz im Sinne der von den Besatzungsmächten betriebenen Reeducation selbst sportiv betätigen.

Diese Ausstellung macht deutlich, dass die Funktion, die der Sport nach innen hin zu erfüllen hatte, bei allen drei westlichen Besatzungsmächten eine ähnliche war: Moral und Patriotismus sollten befördert werden, den Soldaten und ihren Familien sollte ein Gefühl von Heimat gegeben werden. Zudem diente der Sport als Fitness- und Disziplinierungsprogramm.

Während die Franzosen jedoch eher Leichtathletik und Fünfkampf praktizierten, spielten die Engländer Rugby, Kricket oder Fußball, die US-Amerikaner Baseball, American Football und Basketball. Unter den Spielsportarten neu etablieren konnte sich in Berlin allerdings einzig das Basketball-Spiel. Die Amerikanern hatten in der Nachkriegszeit zahlreiche Freiplätze errichtet. Diese erlaubten es auch deutschen Jugendlichen, das Spiel außerhalb von organisierten Sportvereinen unter freiem Himmel zu praktizieren.

Interessant ist die Doppelfunktion, die der Sport, wenn man ihn als politisches Lenkungsinstrument versteht, zu erfüllen hatte: Zum einen sollte er die Männer zu besseren Soldaten machen, zum anderen zu besseren Demokraten. Diese in gewissem Sinne widersinnige Anspruchshaltung lässt sich am besten anhand von zwei Zitaten verdeutlichen, die in der Ausstellung vorkommen: Während General Douglas MacArthur schon 1922 formulierte, dass nichts „schneller die Qualitäten von Führungs- und Entschlusskraft, von Koordination, Aggressivität und Mut hervorbringt“ als sportliche Betätigung, betont Schwimmtrainer Anthony „Matt“ Mann im Jahr 1946, dass „Demokratie nicht aus Büchern gelernt“ werden könne, sondern „gelebt werden“ müsse.

Führt man beide Thesen, zum einen den militärischen Aspekt, zum anderen den demokratiefördernden Aspekt zusammen, so lässt sich die daraus resultierende Synthese wohl am ehesten so formulieren: Während in einer totalitären Gesellschaft der Sport totalitäre Organisationsformen sucht und totalitäre Menschen hervorbringt, stärkt er in einer demokratischen die Identifikation mit dem demokratischen Geist: mens democratica in corpore sano.

■ „Fair Play. Die Alliierten und der Sport“ läuft bis zum 8. April 2013 im Alliierten Museum in der Clayallee 135. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Dienstag von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.